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Traditioneller Gegensatz rechts-links verschärft sich. | Konfliktpotenzial seit Jahrhunderten. | Nikosia. Jüngere Zyprioten kennen nichts anderes. Seitdem sie auf der Welt sind, wird in ihrem Land verhandelt. 1968 sind Rauf Denktash und Glafkos Klerides einander gegenüber gesessen. Später beriet der türkische Zypriote Denktash mit dem griechisch-zypriotischen Präsidenten Makarios über eine Lösung für die geteilte Mittelmeerinsel. Noch später waren es Mehmet Ali Talat und Tassos Papadopoulos.
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Nach der Abwahl Papadopoulos´ wird ein neuer griechisch-zypriotischer Präsident die Gespräche führen - ob der Rechtsgerichtete Ioannis Kassoulides oder der Linke Demetris Christofias, wird sich nach der Präsidentenstichwahl am Sonntag zeigen. Kassoulides hat der Nachrichtenagentur Reuters schon angekündigt: "Wenn ich gewinne, hebe ich am 25. Februar den Telefonhörer ab und lade mich selbst in Herrn Talats Haus ein." Und der Volksgruppenführer der türkischen Zyprioten wird das sicher akzeptieren.
Ausnahmefall Einigkeit
Denn seit Jahren schon pochen die türkischen Zyprioten auf eine Beendigung ihrer Isolation im Norden. Sie haben Rauf Denktash abgewählt, der eine Abschottung der - lediglich von der Türkei anerkannten - Türkischen Republik Nordzypern förderte. Sie haben 2004 einen UN-Plan zur Wiedervereinigung der Insel mehrheitlich angenommen. Doch die Mehrzahl der griechischen Zyprioten stimmte beim Referendum dagegen.
Für den in der Schweiz lebenden griechischen Historiker Pavlos Tzermias war dies ein politischer Ausnahmefall. Unabhängig von Parteizugehörigkeit und -sympathie seien sich die meisten Wähler im Süden in ihrer Ablehnung einig gewesen, sagt Tzermias der "Wiener Zeitung". Doch vor der Wahl werde die Polarisierung wieder sichtbar.
"Die Parteienkonstellation auf Zypern ist seit Jahrzehnten sehr stabil und die Parteizugehörigkeit konservativ", erklärt der Historiker. Ein rechter und ein linker Block stehen einander gegenüber; nicht selten geben Eltern die Parteipräferenz an ihre Kinder weiter.
Zwar treten beide Kandidaten betont gemäßigt auf und zeigen sich für die künftige Regierungszusammenarbeit nach allen Seiten offen. Doch die Polarisierung in der Basis sei deutlich, stellt Tzermias fest. So warnen einige Anhänger von Kassoulides bereits davor, dass Christofias von der ehemals kommunistischen AKEL die christlichen Fundamente Zyperns unterminieren würde.
Laut Tzermias dürfte also beim Votum am Sonntag nicht der UN-Plan - über den nach vier Jahren noch immer diskutiert wird - eine Rolle spielen, sondern der traditionelle Gegensatz rechts-links. Doch welcher Kandidat auch gewinnt: Einen neuen Plan zur Wiedervereinigung werde er wieder dem Volk zur Abstimmung vorlegen müssen.
Britische Interessen
Konfliktpotenzial gibt es auf der Insel, an deren Küste einst die Liebesgöttin Aphrodite an Land gegangen sein soll, jedenfalls seit Jahrhunderten genug. Zu groß schien die strategische Bedeutung Zyperns durch seine Lage im Mittelmeer, zwischen Europa und dem Mittleren Osten. Die Osmanen entdeckten dies schon im 16. Jahrhundert. Und für die Briten wurde das Land nach dem Bau des Suezkanals umso interessanter: Großbritannien, dem Zypern 1878 zugesprochen wurde, annektierte dieses 1914. Bis 1960 blieb die Insel eine britische Kolonie.
Auch die Konflikte zwischen den griechischen und den türkischen Zyprioten reichen weiter zurück denn bis zur Teilung 1974. Untergrundorganisationen beider Volksgruppen kämpften gegen die britische Kolonialmacht - und teilweise gegeneinander. Türkische Zyprioten widersetzten sich den Ideen der "Enosis", der Bestrebungen zur Vereinigung mit Griechenland.
Minenfelder in der EU
Bürgerkriegsähnliche Ausschreitungen gab es auch Ende 1963, als Erzbischof Makarios III., der erste Staatspräsident Zyperns, das verfassungsmäßig garantierte Proporzsystem in Regierung und Verwaltung zugunsten der griechischen Bevölkerungsmehrheit ändern wollte. Später wandte sich Makarios scharf gegen die von Athen geförderten Terrorakte griechisch-zypriotischer Rechtsnationalisten. Er geriet in Konflikt mit "Enosis"-Anhängern, ein Putsch gegen den Präsidenten wurde angezettelt. Die Lage eskalierte 1974, als türkische Truppen auf Zypern einmarschierten.
Auch die Präsenz der UN-Friedenstruppen, die seit 1964 auf Zypern stationiert sind, änderte daran nichts. Vierzig Jahre später trat die Insel mit ihren Pufferzonen, Stacheldrahtzäunen und Minenfeldern als geteiltes Land der Europäischen Union bei.
Die Präsidentenkandidaten
Den 59-jährigen Ioannis Kassoulides hat die rechtsgerichtete DISY (Demokratische Sammlungsbewegung) als Kandidaten nominiert. Er ist formell unabhängig. Der Arzt und ehemalige Außenminister hat sich in seinem Wahlkampf als "Mann der Zukunft" zu profilieren versucht und seinen Landsleuten einen neuen Anlauf zur Überwindung der Inselteilung versprochen.
Aufgrund seines Ansehens in den USA und in der EU - seit vier Jahren ist er Mitglied des Europaparlaments - hält er sich für besonders geeignet, Vertrauen in den westlichen Metropolen herzustellen. Kassoulides ist verheiratet und hat eine Tochter. Im ersten Wahlgang kam er auf 33,5 Prozent der Stimmen.
Parlamentspräsident Demetris Christofias ist der erste Führer der ehemals kommunistischen Fortschrittspartei des Werktätigen Volkes (AKEL), der stärksten Fraktion im Abgeordnetenhaus. Der 1946 geborene Historiker, der in Moskau studiert hat, unterstützte noch 2003 die Kandidatur des mittlerweile abgewählten Präsidenten Tassos Papadopoulos. Später forderte er von Papadopoulos eine flexiblere Haltung gegenüber den türkischen Zyprioten.
Im aktuellen Wahlkampf stellte sich der verheiratete Vater dreier Kinder als Verfechter der Einheit der binationalen Insel dar. Bei der ersten Runde der Präsidentenwahl lag Christofias lediglich zwei Zehntel Prozentpunkte hinter Kassoulides.