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Neuer Vorstoß für Finanzsteuer

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Berlin und Paris erhöhen Tempo für Besteuerung in Teilen der Union.


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Brüssel. Berlin und Paris marschieren wieder voran - und zwar gemeinsam. Denn auch wenn die Ansichten über die künftige Ausrichtung Europas zwischen Deutschland und Frankreich in manchen Bereichen mehr denn zuvor auseinandergehen, gibt es doch ein paar Anliegen, auf die sich die Länder einigen können. Zu diesen gehört die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen. Berlin hat sich - so wie Wien - massiv dafür eingesetzt, eine derartige Abgabe europaweit zu schaffen. Und als klar wurde, dass der Plan am Widerstand von Ländern wie Großbritannien oder Schweden scheitert, hat es sich auf die Suche nach Verbündeten gemacht, mit denen eine Besteuerung wenigstens in Teilen der Union machbar wäre.

Um eine solche Initiative zu starten, braucht es mindestens neun Länder, die eine sogenannte verstärkte Zusammenarbeit vereinbaren. Diese soll die EU-Kommission nun ermöglichen, indem sie einen Vorschlag dazu erarbeitet, heißt es in einem Schreiben an die Brüsseler Behörde. Allerdings sind in dem Brief nur zwei Unterschriften zu finden: die des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble und seines französischen Amtskollegen Pierre Moscovici.

Damit wollen Berlin und Paris aber den Druck auf die anderen willigen Staaten erhöhen, das Projekt voranzutreiben. In einem zweiten Schreiben fordern sie alle Finanzminister der EU auf, ebenfalls einen entsprechenden Antrag zu stellen.

Österreich plant, Anfang der kommenden Woche sein Ansuchen an die Kommission abzuschicken. Andere Länder sollen dann ihre eigenen Briefe versenden. Gerüchten, dass die nötige Mindestzahl von neun Staaten nicht erreicht werden könnte, wird im österreichischen Finanzministerium mit Gelassenheit begegnet.

Druck auf Verbündete

Wien geht nämlich davon aus, dass auch Spanien und Italien sich dem Ansinnen anschließen - so wie die beiden Länder es auch noch vor wenigen Monaten angekündigt haben. Zuletzt hat es aber Spekulationen darüber gegeben, dass Madrid und Rom ihre Zusage nicht einhalten könnten. Widersprüchliche Meldungen aus den beiden Hauptstädten nährten bei einigen Beobachtern den Verdacht, dass die Staaten mit ihrem zögerlichen Verhalten Zugeständnisse bei den finanziellen Rettungsmaßnahmen der Union gewinnen wollen.

In der EU-Kommission hingegen wird nicht damit gerechnet, dass noch viele Monate vergehen, bevor die für das weitere Prozedere erforderlichen Briefe eintrudeln. Über den Sommer hätten die an der Finanztransaktionssteuer interessierten Länder etliche Gespräche geführt, eine Einigung sei absehbar, heißt es in Brüssel.

Steuerkommissar Algirdas Semeta hat denn auch schon in einer ersten Stellungnahme den deutsch-französischen Vorstoß begrüßt. Selbst wenn nur eine Gruppe von Ländern die Abgabe einführe, hätte dies Vorteile, erklärte er. Daher sollten nun andere Staaten dem Beispiel aus Berlin und Paris folgen und ihre Ansuchen "so schnell sie können" stellen.

In ihrem Brief führen Deutschland und Frankreich als Basis der verstärkten Zusammenarbeit den Vorschlag der EU-Kommission an. Diese hatte im Vorjahr ihre Pläne für eine Abgabe auf Finanztransaktionen präsentiert: Beim Aktienhandel würde für Käufer und Verkäufer jeweils eine Steuer in Höhe von 0,1 Prozent auf den Umsatz und bei Termingeschäften von 0,01 Prozent fällig werden.

Sorge um Marktschäden

Doch müssten ebenfalls die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen einer verstärkten Zusammenarbeit erörtert werden, heißt es in Schäubles und Moscovicis Schreiben. Wettbewerbsverzerrungen oder Abwanderungstendenzen sollten nämlich vermieden werden.

Auf diese Eventualitäten weisen Skeptiker einer nicht-europaweiten Besteuerung hin. So könnten Geldinstitute die Abgabe umgehen, indem sie ihre Tätigkeiten in ein anderes Land verlagern. Diese Sorge halten einige Wirtschaftsexperten aber für übertrieben. "Die Deutsche Bank beispielsweise wird wegen einer solchen Minimalsteuer nicht abwandern und aufhören, die Deutsche Bank zu sein", findet etwa der Ökonom Stephan Schulmeister, der am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung tätig ist.

Dennoch wäre eine Besteuerung ohne Länder wie Spanien und Italien kaum machbar. Außerdem wäre es "klug", große Nicht-Euro-Staaten - wie Polen - für eine Zusammenarbeit zu gewinnen, meint Schulmeister. Zunächst aber wird sich wohl eine Gruppe aus der Euro-Zone finden: Zu den Unterstützern einer Finanztransaktionssteuer gehören noch zusätzlich Belgien, Finnland, Griechenland oder Portugal. Aber auch Polen zeigte sich vor kurzem nicht uninteressiert.

Wer dagegen ist, ist noch klarer. Neben Großbritannien und Schweden sind die Niederlande strikt gegen die Einführung der Abgabe. Sie sind es auch, die um die Attraktivität ihrer Finanzplätze fürchten.