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Neuer Wald an der Grenze zur Hölle

Von Thomas Veser

Reflexionen

Ödland aufzuforsten, ist schwierig, teuer und oft zum Scheitern verurteilt. Im westafrikanischen Burkina Faso wird eine "natürliche Wiederbewaldung" versucht - nicht ohne Erfolg.


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Nur Baumschulen und Baumgärten werden gezielt bewässert.
© Veser

In der bleiernen Nachmittagshitze wirkt die Savannenlandschaft wie erstarrt. Windstöße wirbeln ab und zu Sand auf, sie bringen keine Erleichterung, sondern verstärken das beklemmende Gefühl, in einem Backofen der Natur gefangen zu sein. Während der ersten Monate des Jahres herrschen auf der Ebene um Ouagadougou Temperaturen von bis zu 50 Grad, die den Boden schnell aufheizen. Kommt er mit kälteren Luftschichten in Berührung, bilden sich Silmandé genannte kleine Wirbelstürme, die blitzschnell über den Boden fegen und der ganzen Szenerie geisterhafte Züge verleihen.

"Burkina Faso hat eine gemeinsame Grenze mit der Hölle", lautet eine alte Redewendung im "Land der Integren", wie die ehemalige französische Kolonie Obervolta seit 1984 heißt. Wohl nicht ganz zu Unrecht.

Karge Böden, Übernutzung, Bevölkerungswachstum und die Folgen des Klimawandels machen den Menschen nicht nur im Zentrum um die Hauptstadt Ouagadougou, sondern auch besonders in den weiter nördlich gelegenen Provinzen das Leben schwer. Sie benötigen größere Ackerflächen sowie mehr Brennholz zum Kochen und für die Ernährung der Familien. Jahr für Jahr verliert Burkina Faso nach Angaben des nationalen Umweltministeriums dadurch über 110.000 Hektar Waldfläche. Das entspricht mehr als vier Prozent des gesamten Baumbestandes.

Verein "newTree"

Wiederaufforstungsprojekte waren bisher selten von Erfolg gekrönt - das lässt sich in ganz Afrika belegen. Seit 2006 praktiziert der Schweizer Verein "newTree" in Burkina Faso einen ganz anderen Ansatz, mit dem der Naturwaldbestand vergrößert werden soll - die "natürliche Wiederbewaldung", bisweilen auch "regenerative Wiederaufforstung" genannt. Nicht der Mensch übernimmt dabei die tragende Rolle, sondern Mutter Natur.

Die Grundidee ist einfach: Eine Bauernfamilie oder Frauengruppe erklärt sich bereit, die für sie neuen Methoden in der Landwirtschaft auszuprobieren. So wird beispielsweise ein etwa drei Hektar großes Feld mit einem Metallzaun eingefriedet, darin wird auf maximal einem Viertel biologische Agro-Forstwirtschaft praktiziert - ein Nebeneinander von Bäumen und Nutzpflanzen an Stelle von chemischem Dünger.

Das während der Regenzeit sprießende Gras wird als Heu geerntet und gelagert, anstatt Tiere darin weiden zu lassen. Auf diese Weise vor Tieren, menschlichen Zugriffen und Buschfeuer geschützt, regeneriert sich das Ökosystem; Bäume und Büsche gedeihen und Felder werden wieder fruchtbar. Nur so kann ein neuer Wald entstehen, denn außerhalb der eingefriedeten Gebiete holen sich die zahlreichen Ziegenherden das, was sie zum Überleben benötigen. Die Resultate, nach Angaben von "newTree" vollständig durch Spendengelder von Privaten und Beiträgen institutioneller Geber finanziert, haben die Einheimischen schließlich überzeugt. Demnach übersteigen heute die Anfragen der Bauernfamilien, die eine Zusammenarbeit wünschen, das "newTree"-Angebot um ein Vielfaches.

"Zwar sind die Ödlandflächen bereits stark degradiert und teilweise erodiert. Man konnte sich damals kaum vorstellen, dass dort je wieder Bäume wachsen würden", berichtet rückblickend Franziska Kaguembèga Müller. Die Schweizer Biologin lebte als Gründerin und Projektleiterin des Berner Vereins bis 2015 in Ouaga- dougou.

Samen im Erdreich

Wie man auch in anderen west- afrikanischen Ländern herausgefunden hat, sind die Savannenböden von einem schier endlosen Geflecht an Baumwurzeln durchzogen. "Außerdem befinden sich im Erdreich große Mengen an Samen. Durch Zäune geschützt, können ungestört neue Bäume entstehen, zumal auch Vögel Samen herbeibringen und mit den Ausscheidungen der durchziehenden Vieherden viele Samen verteilt wurden", fügt sie hinzu.

Unterdessen umfasst das Projektgebiet 300 Parzellen mit knapp 1000 Hektar umzäunter Fläche, auf denen regelmäßig aufgestellter Inventare zufolge viele neue Bäume gewachsen sind. Im Schnitt liegt demnach der Baumbestand pro Hektar bei ungefähr 700 Exemplaren - und das bei einer Biodiversität von bis zu 160 verschiedenen Sorten.

Angesichts der Riesengebiete mit degradierten Savannenwäldern drängt sich der Vergleich mit dem berühmten Tropfen auf den heißen Stein auf. Die eingezäunten Parzellen sorgen jedoch längst nicht nur für einen wirksamen Baumschutz. Sie zeigen auf, wie mit einfachen Bodenbearbeitungsmethoden Äcker auch außerhalb der Zäune regeneriert werden können, welch wichtige Funktionen Bäume im Ökosystem haben und wie sich mit gezielter "Nichtbeweidung" diese Ökosysteme schützen und wieder aufbauen lassen. Ziel ist nach Darstellung von "newTree" nicht die Einzäunung von ganz Burkina Faso, sondern der Umstieg auf nachhaltige Landwirtschaft und Beweidung.

Zum Auftakt hatte der Verein über eine Informationskampagne teilnahmewillige Dörfer gewonnen. Dawuelge in der Nähe der Hauptstadt gehörte zu den Gemeinden, die den Zuschlag erhielten. Während "newTree" das teure Zaunmaterial finanzierte, lieferte das Dorf Sand, Kies, Wasser und Arbeitskräfte, welche die Pfosten setzten, den Zaun von Hand flochten und sich bereit erklärten, ihn mindestens sieben Jahre lang zu unterhalten.

Seit einigen Jahren ziehen die Projektpartner in Baumgärten die einheimische Sorte Baobab (Affenbrotbaum), mit dessen nahrhaften Früchten und Blättern die Bewohner ihre Ernährung ergänzen. Der proteinreiche Moringa-Baum etwa kann in seiner Gesamtheit verzehrt werden. Die Frauengruppen ernten in ihren Gärten jedoch nur die Blätter, trocknen sie und kochen damit lokale Gerichte, die sie auch verkaufen.

Aus den Nüssen des Karité-Baumes gewinnt man Karité-Butter, die zu Seife verarbeitet und in der Kosmetik verwendet wird. In den Baumschulen beschäftigt man sich mit der Aufzucht von Akazien. Diese verstärken als Lebendhecke die Metallzäune und liefern nach einigen Jahren Gummi Arabicum, das für vielfältige Zwecke verwendet wird. Diese von "newTree" geförderten Zusatzaktivitäten helfen den Bauernfamilien dabei, ihr kärgliches Einkommen zu verbessern.

Mischwälder

Gezielt bewässert werden nur Baumschulen und Baumgärten. Einige Bauern graben jedoch bis zu zwei Meter tiefe Rückhaltebecken. Dort sammelt sich in der Regenzeit Wasser, das für die Jungpflanzen verwendet wird.

Die Wiederbewaldung bringt Mischwälder hervor, die nicht zuletzt für die traditionelle Pflanzenheilkunde wichtig sind. Sie liefern zudem Blätter für die Viehfütterung. Im eingefriedeten Jungwald wird deutlich, dass sich der Boden durch Humusbildung erneuert. Floss Regenwasser früher auf der betonharten Oberfläche ab und führte zu Überschwemmungen, kann es jetzt eindringen und gelangt in das Grundwasser, dessen Spiegel wieder ansteigt. Dank seiner größeren Biodiversität bietet der Mischwald zudem ökologische Nischen für etliche Tier- und Pflanzenarten.

Inzwischen hat "newTree" die operative Umsetzung der lokalen Nichtregierungsorganisation "Association tiipaalga" anvertraut. "Verantwortung und Kompetenzen an lokale Strukturen abzutreten, das entspricht wahrer Entwicklungszusammenarbeit", versichert Franziska Kaguembèga Müller. Außerdem haben es lokale Organisationen erfahrungsgemäß leichter, Geldmittel aus EU-Ländern zu sammeln." Ein größeres Projekt mit einer französischen Stiftung finanziert beispielsweise den Bau energieeffizienter Kochstellen, wodurch sich der Holzverbrauch um bis zu 60 Prozent senken lässt. Andere Projekte werden von belgischen Behörden oder auch dem Staat Burkina Faso finanziert, von welchem "tiipaalga" Ende 2015 mit einem Verdienstorden ausgezeichnet wurde.

Kompost und Biokohle

Seit geraumer Zeit spielt die Landwirtschaft eine stärkere Rolle in der "newTree"-Strategie. Außerhalb der Waldparzellen bearbeiten Bäuerinnen und Bauern fast 5300 Hektar Ackerland nach den Vorgaben der natürlichen assistierten Regenerationstechnik (RNA). Demnach wird die steinharte Oberfläche im ersten Schritt mit Pickeln aufgebrochen. Nach der Zaï oder Tassa genannten Vorgehensweise entstehen kleine Vertiefungen, die mit Kompost und Biokohle angereichert werden. So gelangen während der Regenzeit Wasser und Nährstoffe in den Boden.

Anschließend bringt man in den Vertiefungen Saatgut aus oder pflanzt Baumsetzlinge ein. Die jungen Bäume sind für das Ökosystem wichtig, geben sie doch den Pflanzen Schatten. Sie sorgen dafür, dass sich die Feuchtigkeit länger und bis in tiefere Bodenschichten hält.

Mit Steinkordeln (Bänder aus Steinbrocken) und sogenannten Halbmonden, die im Gelände im leichten Gefälle angebracht werden, lässt sich weitere Feuchtigkeit auffangen. So bildet sich nicht nur Humus, auch die Erosion lässt sich abmildern. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass langfristig nur sozial und kulturell angepasste Techniken wirken, dann packen die Leute die Sache selbst an", bekräftigt Franziska Kaguembèga Müller. Dazu zählt auch der Einsatz von Kompost aus Dung und Stroh. Er verdrängt allmählich den Kunstdünger, der teuer ist, Abhängigkeiten verursacht und der Auslaugung der Böden nur Vorschub leistet.

Dawuelges Dorfchef lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Bewohner geschlossen hinter der Wiederbewaldung stehen und sich engagiert für den Erhalt einsetzen werden. Schon jetzt habe man den jungen Wald ins Herz geschlossen, bekräftigt er, dürfe man doch aus seiner Richtung oft mit einem frischen Windhauch rechnen.

Thomas Veser, geboren 1957, lebt als Journalist in Konstanz. Er ist Mitglied der Schweizer Arbeitsgemeinschaft "Pressebüro Seegrund".