Auf Gernot Blümel wartet eine Herausforderung: Nach der Wahlniederlage gilt es, schwarze Stimmen zurückzuholen.
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Wien. Der ÖVP kann es offenbar nicht schnell genug gehen. Noch am Abend des schwarzen Debakels am vergangenen Wahlsonntag hatte ÖVP-Spitzenkandidat und Landesparteiobmann Manfred Juraczka seine Funktion zur Verfügung gestellt. Er biete einen "geordneten Übergang" an, denn "so wie 2011 einfach wegzulaufen ist auch das Falsche", sagte Juraczka bei seiner kurzen Rede vor Funktionären auf der ÖVP Wahlparty am Sonntagabend. Er bezog sich auf den Abgang von Christine Marek, die der Landespartei nach der Niederlage bei den Landtagswahlen 2010 knapp ein Jahr später den Rücken kehrte.
Geordneter Übergang? Das sehen Juraczkas Parteifreunde offensichtlich anders. 9,2 Prozent und einem Minus von fast 5 Prozentpunkten, das ist zu viel. Ein neuer muss her, und zwar rasch. Schon am Montag war dieser neue Mann gefunden: Gernot Blümel, 33 Jahre jung, seit Dezember 2013 ÖVP-Generalsekretär. Der studierte Philosoph und Wirtschaftswissenschaftler leitete den "Evolutionsprozess" der Volkspartei, der im Mai dieses Jahres in einem Reformparteitag mündete. "Jünger, weiblicher, moderner" war das Motto des neuen Parteiprogramms. "Wir müssen die Rückeroberung der Stadt Wien antreten", sagte Blümel Montagabend in der ZiB2: "Man darf nicht zu wenig Mut haben bei der Neuaufstellung der Wiener ÖVP."
Jünger und moderner soll auch die Landespartei werden, das war auch von den oft jungen Spitzenkandidaten und Funktionären auf der sonntäglichen Wahlparty deutlich zu hören. Ein "frischer Wind" sollte der am Boden liegenden Partei die Flügel heben, meinte etwa die erst 26-jährige Spitzenkandidatin für den 18. Bezirk, Viktoria Bernt. Die Jungen sollen mehr ins Zentrum gerückt werden.
Kein Wunder also, dass man sich in der Landespartei Außenminister und ÖVP Wunderkind Sebastian Kurz als neuen Obmann gewünscht hat. Der stand dafür jedoch nicht zur Verfügung. Jetzt soll es eben Gernot Blümel richten. Kurz und Blümel haben in der Tat einiges gemeinsam. Beide haben ihre politische Laufbahn in der jungen ÖVP begonnen, für beide ging es auf der Karriereleiter rasch bis ganz nach oben. Beide kommen aus dem schwarzen Arbeitnehmerbund ÖAAB, dem auch Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger angehört hat.
Angst vor dem Abstieg
Bekanntlich ist es in der ÖVP Sache der Bünde, wer leitende Positionen bekommt und wer nicht - die Kämpfe darum laufen meist im Hintergrund und werden oft nicht mit der feinsten Klinge geführt. Hat Blümels eiliger Abschied als Generalsekretär mit seiner ÖAAB-Herkunft zu tun? Eher weniger, heißt es aus ÖVP-Beraterkreisen zur "Wiener Zeitung". Zwar hat in Wien der Wirtschaftsbund das Sagen, dennoch geht es den Schwarzen jetzt vorwiegend darum, die Landespartei auf Vordermann zu bringen. Nach den herben Verlusten in Oberösterreich ist das einstellige Ergebnis in der Bundeshauptstadt ein Alarmsignal für Parteichef Reinhold Mitterlehner. Der hat spätestens 2018 die nächste Nationalratswahl zu schlagen. Im Kampf um die konservativen und wirtschaftsliberalen Wählerstimmen müsse man die marode Landespartei zu einer "urbanen, moderner Stadtpartei" umwandeln. Auch der solide Einzug der Neos in den Landtag dürfte der ÖVP Sorgen bereiten. Diese haben es erfolgreich geschafft, das liberale Wählersegment in der Hauptstadt zu besetzen. Wenn es den Schwarzen in Wien nicht gelingt, die Wiener Stimmen zurückzuholen, ist auch für die Bundespartei von Reinhold Mitterlehner die Chance auf Platz eins bei den kommenden Nationalratswahlen dahin. Wohl auch deswegen greift der Bund in Wien ein. Es gehe darum, "rasch Tatsachen zu schaffen", um "interne Querelen und Querschüsse" hintanzuhalten, so eine ÖVP-nahe Beraterin, die nicht zitiert werden möchte.
Unbeschriebenes Blatt
Blümel erwartet also eine echte Herausforderung. Politisch gesehen ist er noch ein recht unbeschriebenes Blatt. Zumindest den "Evolutionsprozess" und die vorangegangene Mitgliederbefragung hatte er dem Vernehmen nach aber gut gemeistert. Was erwartet man sich vom ehemaligen Generalsekretär in der Landespartei?
Gernot Blümel werden Fähigkeiten zugeschrieben, die die Wiener für ein Überleben der Landespartei für notwendig erachten. Er sei "dynamisch", verkörpere das Bild des jungen, liberalen Konservativen. Veronika Mickel, die im achten Bezirk nur knapp ihren Posten als Bezirksvorsteherin retten konnte, bezeichnet Blümel als "sehr fähigen Mann". Sie erwartet sich Reformen, was die bündische Struktur der Partei angeht. Auch Gabriele Tamandl, nach Christine Marek und vor Manfred Juraczka Interimschefin der ÖVP Wien, sichert ihm "vollste Unterstützung" zu. Blümel kandidierte für die ÖVP nicht auf Landesebene und erhält deshalb auch kein Gemeinderatsmandat. Deshalb wurde er am Monat nicht nur zum geschäftsführenden Landesparteiobmann gewählt, sondern auch zum Stadtrat designiert. Ob amtsführend oder nicht hängt freilich davon ab, ob die ÖVP Wien mit den Sozialdemokraten koalieren wird.
Für Bürgermeister Häupl wäre eine Koalition mit der ÖVP ohnehin die unattraktivere von zwei möglichen Varianten. Eine Neuauflage von Rot-Grün wäre mit 53 oder mehr Mandaten stabiler als eine rot-schwarze Koalition mit nur 51 Mandaten, zudem zeigte sich Bürgermeister Häupl von der Einmischung der ÖVP-Bundespartei wenig begeistert: "Ich führe Koalitionsverhandlungen nur mit der Wiener Landesgruppe, nicht mit der Bundespartei", sagte er am Montag nach der SPÖ-Gremiensitzung. Die NEOS wollten sich zur Bestellung Blümels nicht äußern: "Das ist ein ÖVP-interner Prozess, den wir nicht kommentieren möchten", so die NEOS zur "Wiener Zeitung". Grüne und FPÖ waren für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Unklar bleibt, wohin es Manfred Juraczka nach seinem Abgang als ÖVP-Landeschef verschlagen wird. Um ihn müsse man sich aber keine Sorgen machen, ließ er wissen. Und: "Der Gernot ist ein klasser Bursch." Wer Blümel als Generalsekretär der ÖVP nachfolgen wird, soll "zeitnah" entschieden werden.