Ab Freitag tritt die Steuerreform in Kraft. Entlastung kommt vor allem Arbeitnehmern zugute, Steuersünder müssen bluten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Nur noch ein Mal schlafen, dann tritt am 1. Jänner die "größte Steuerentlastung der Zweiten Republik", wie sie Kanzler Werner Faymann (SPÖ) nannte, in Kraft. Kernstück der Tarifreform ist eine fast fünf Milliarden Euro schwere Entlastung der Arbeitnehmer. Diese Zuschreibung bekam schon die letzte "größte Steuerreform" unter Schwarz-Blau im Jahr 2004/05, wobei sie nur halb so groß wie die neue "größte" Steuerreform war.
Die Gewinner sind vor allem Klein- und Mittelverdiener mit einem Brutto-Monatsgehalt von höchstens 4500 Euro. Auf sie entfallen 90 Prozent der 4,9 Milliarden Euro schweren Entlastung. Außerdem wird die Negativsteuer für jene, die jährlich weniger als 11.000 Euro verdienen, von 110 auf 400 Euro erhöht. Für Familien gibt es im kommenden Jahr 100 Millionen mehr; ebenso für Unternehmen (siehe Grafik).
Entlastung mit Selbstbehalt
Von der neuen Brutto-Netto-Rechnung muss aber jener Teil abgezogen werden, den die Bürger quasi selbst bezahlen. Um die Tarifentlastung zu finanzieren, werden eine Reihe von Ausnahmen im Steuerrecht gestrichen. Fallen werden steuerliche Erleichterungen für Dienstwägen, Ausgaben für Pensions- und Lebensversicherung sowie Erben und Schenken wird in einigen Fällen teurer.
Außerdem werden eine Reihe begünstigter Mehrwertsteuersätze von 10 auf 13 Prozent angehoben. Teurer werden Schnittblumen, Tierfutter, Theaterkarten und um ein ganz kleines bisschen der Ab-Hof-Verkauf von Wein. Hier steigt der Steuersatz von 12 auf 13 Prozent. Die Anhebung der Mehrwertsteuersätze soll rund 250 zusätzliche Millionen in die Staatskassen spülen.
Als Verlierer dieser Reform sehen sich vor allem Unternehmer und jene, die es mit der Steuermoral nicht immer so ernst nahmen. Zwar müssen sie wegen der Tarifanpassung rund 500 Millionen Euro weniger an Einkommenssteuer zahlen. Die seitens der Wirtschaft geforderte Lohnnebenkostensenkung gibt es vorerst aber nicht. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat ab 2017 eine Entlastung für Unternehmen in der Höhe von 1,3 Milliarden angekündigt. Das kommt aber einem Minus von rund einem Prozentpunkt gleich.
Auf der anderen Seite hat die Steuerreform unter der Überschrift "Betrugsbekämpfung" vielen Unternehmern unliebsame Maßnahmen wie die Registrierkassenpflicht und die de facto Abschaffung des Bankgeheimnisses eingebrockt. Ab einem Jahresumsatz von 15.000 Euro müssen Unternehmen, die ihre Umsätze vorwiegend bar generieren, eine Registrierkasse haben. Ausnahmen gibt es im Rahmen der sogenannten Kalte-Hände-Regelung, also für Maroni-Brater zum Beispiel. Die Finanzbehörden gewähren hier immerhin eine Schonfrist von drei Monaten.
Außerdem wird ab kommendem Jahr ein zentrales Kontenregister für alle über 20 Millionen heimischen Bankkonten eingerichtet. Dort können die Behörden künftig im Rahmen eines Schnellverfahrens einsehen, wer bei welcher Bank wie viele Konten hat und wer aller darauf zugreifen darf. Nicht einsehbar ist, wie viel Geld auf dem Konto liegt. Außerdem sind die Bankinstitute seit März dieses Jahres dazu verpflichtet, Kapitalflüsse ab 50.000 Euro zu melden. Das Kontenregister hatte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft schon lange gefordert, um besser gegen Steuerhinterziehung und Kapitalflucht ins Ausland vorgehen zu können.
Zur Gegenfinanzierung wird zudem die Kapitalertragssteuer (KeSt) auf 27,5 Prozent erhöht, wobei Girokonten und Sparbücher verschont werden. Und der Staat will 1,1 Milliarden Euro bei sich selbst sparen. Dabei entfallen zwei Drittel auf den Bund und eines auf die Länder, die beim Finanzausgleich mit weniger Geld rechnen müssen. Wo genau gespart wird und wie viel angesichts der anhaltenden Flüchtlingskrise und steigender Arbeitslosigkeit überhaupt möglich ist, ist noch unklar. Mit etwa 850 Millionen soll sich die Steuerreform quasi selbst finanzieren, also durch mehr Konsum und bis zu einem zusätzlichen Prozentpunkt Wirtschaftswachstum.
Reform der Kompromisse
Der Steuerreform sind zähe und harte Verhandlungen vorausgegangen, die auf beiden Koalitionsseiten tiefe Einschnitte hinterlassen haben. Die SPÖ hat mit ihrer Forderung nach Vermögenssteuern bei "Wir haben kein Einnahmen-, sonder ein Ausgabenproblem"-Finanzminister Schelling auf Granit gebissen. Zwar wurde der Spitzensteuersatz auf 55 Prozent ab einem Einkommen von einer Million angehoben, das trifft in Österreich aber nicht einmal 400 Menschen.
Auf der anderen Seite haben Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Schelling mit dem Kontenregister und der Registrierkassenpflicht den mächtigen Wirtschaftsbund erzürnt. Und die - mehrheitlich schwarzen - Landesfürsten sind ob der Einschnitte beim Finanzausgleich ebenso wenig erfreut.