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Neues Misstrauen unter Nachbarn

Von Martyna Czarnowska

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In Polen regen sich Zweifel, ob Russland ernsthaft bei den Untersuchungen zum Absturz der Präsidentenmaschine mit Warschau zusammenarbeiten will.


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Es war ein Bild, an das sich viele Polen lange erinnerten. Ein sichtlich erschütterter polnischer Ministerpräsident kniet am Waldrand, neben ihm steht ein mitgenommener russischer Premier. Dann, als Donald Tusk wieder steht, umarmt ihn Wladimir Putin. Sanft, etwas ungelenk. Sie sind einander nahe wie wohl kaum zuvor, dort an einem Flugplatz bei Smolensk, wo der polnische Präsident Lech Kaczynski und 95 weitere Menschen bei einem Flugzeugabsturz umgekommen sind.

Die Szene hat sich vor knapp vier Monaten abgespielt, und viel war damals die Rede von einer Annäherung zwischen Polen und Russland. Sogar das Wort "historisch" ist immer wieder gefallen. Die Flugkatastrophe, nach der etliche Russen den Polen ihr Mitgefühl bekundet hatten, wäre so auch eine Chance für die Nachbarn, ihre immer wiederkehrenden Scharmützel zu beenden.

Doch die gegenseitige Sympathie in der Trauer dauerte nicht lange; schon bald gab es neuerliche Unstimmigkeiten zwischen Warschau und Moskau. Der Flugzeugabsturz hatte nämlich von Anfang an auch eine politische Dimension - und eine solche bekam ebenso die Aufklärung seiner Ursache.

Transparenz bei den Untersuchungen und Kooperation hatten die Russen den Polen zugesichert. Doch daran hielten sie sich nicht unbedingt, befanden bald Kritiker in Polen. Abgesehen von herumschwirrenden Verschwörungstheorien, die das Unglück nicht als Unglück sondern als Verbrechen darstellen wollten, wurden so einige Zweifel geäußert, ob die russischen Behörden tatsächlich ernsthaft mit den polnischen zusammenarbeiten möchten.

Denn bereits fünf Rechtshilfeansuchen hat die polnische Staatsanwaltschaft gestellt, und keines hat die russische Seite ganz erfüllt. In Warschau kam weder die vollständige Dokumentation der Vorgänge an noch die Erlaubnis, in Russland Zeugen befragen zu dürfen. Unbekannt ist auch die Reaktion der Leiterin des Zwischenstaatlichen Luftfahrtkomitees, Tatjana Anodina, auf den Brief des polnischen Vertreters beim Internationalen Komitee zur Untersuchung von Flugzeugunfällen, Edmund Klich, der vor wenigen Tagen genaue Informationen über den Flugzeugabsturz verlangt hatte.

Noch hält sich das Kabinett in Warschau mit harscher Kritik an Moskau zurück. Nicht so die Opposition: Sie spart keinesfalls mit scharfen Worten - nicht zuletzt in Richtung der polnischen Regierung. Diese müsste viel mehr Druck auf die Russen ausüben, meint etwa Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und Zwillingsbruder von Lech Kaczynski.

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Die Bilder der Trauer aus Polen werden nun von anderen überlagert. Und die fallen in die Kategorie Skurriles. Menschen, die sich an ein Kreuz ketten, die sich gegen Polizisten wehren, die Gesänge und Gebete zum Schutz Polens erheben. Doch es geht nicht um die Verteidigung des Landes vor einer feindlichen Übermacht, die dem Volk sein religiöses Symbol entreißen möchte. Das Grüppchen - die meisten von ihnen PiS-Anhänger - möchte verhindern, dass das Holzkreuz, das zum Gedenken an die Opfer des Flugzeugabsturzes vor dem Präsidentenpalast in Warschau aufgestellt worden war, in eine Kirche gebracht wird. Da halfen auch die Appelle eines Erzbischofs wenig, ein Kreuz nicht zum Säen von Zwietracht zu missbrauchen.

Dennoch zeugen die Ereignisse nicht - wie von manchen Kommentatoren behauptet - von einer tiefen ideologischen und politischen Spaltung in Polen. Sie sind nicht viel mehr als eben skurril.