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Neues Österreich

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Österreich zu verstehen, ist keine kleine Kunst. Das war zwar schon immer klar, aber die Aussicht auf den Wahlkampf und seine möglichen Folgen machen dies noch einmal deutlich. In keinem anderen Biotop sitzen Wut und Zufriedenheit, Verunsicherung und Beamtenstatus, Menschenfreund und Menschenfeind im Wirtshaus zusammen - und mitunter noch am selben Stammtisch. Bildhaft gesprochen.

Wer hier wie wirklich fühlt und was er tatsächlich denkt, ist allenfalls zu glauben, aber kaum zu wissen. Die Bürger teilen ihr Leben offensichtlich ganz genauso in Rollen ein wie die Politiker, die auch nur mehr oder weniger talentierte Schauspieler sind. Das ist es jedenfalls, was uns die Analytiker der Postmoderne erklären wollen.

Die gute Nachricht von all dem ist: Der alte Bürgerkrieg, der einst zwischen Schwarz und Rot mit Waffen und dann bis in die jüngere Vergangenheit mit Worten weitergekämpft wurde, ist Geschichte. Die schlechte Nachricht lautet: Ein neuer Bürgerkrieg ist bereits im Gang. Gott sei Dank ohne Waffen und Blutvergießen, schließlich spielen die Gegner ja nur noch Rollen, erbittert ausgetragen wird er trotzdem.

Die neuen Protagonisten dieser gleichwohl realen politischen Auseinandersetzung heißen FPÖ und Grüne mit ihrem gegensätzlichen Blick auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Rot und Schwarz stehen, obwohl noch immer stärkste Parteien, nur am Rand des neuen Schlachtfelds. Dass die beiden trotzdem zu den Gewinnern der kommenden Wahlen gehören könnten (und ziemlich sicher auch werden), ist nur ein weiterer Widerspruch der Postmoderne.

Plötzlich die Hauptrolle zu spielen, bringt keineswegs nur Vorteile. Seit die FPÖ von sich behauptet, die neue Avantgarde zu sein, also ziemlich genau seit 1986, hat sie sich bereits etliche Male gespalten. Für die Grünen, die jüngste politische Kraft, ist diese Erfahrung dagegen neu. Ihre wahre Feuerprobe bestand in der Einigung zur Partei vor drei Jahrzehnten.

SPÖ und ÖVP haben gemeinsam ein neues Land erschaffen, davon sind die neuen Antagonisten unendlich weit entfernt. Und gemeinsam wird ihnen das nie schaffen. SPÖ und ÖVP gelang dies erst, nachdem ihr Konflikt zur Katastrophe führte. Und weil eine solche nun hoffentlich ausbleibt, werden die neuen Pole noch lange dort bleiben, wo sie jetzt sind: an den Rändern. Außer sie verzichten darauf, Avantgarde zu sein.