Ewald Stadler gilt als Favorit für die Rolle des orangen Spitzenkandidaten für die Europa-Wahl im Juni.
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Die Stärken des Ewald Stadler sind unumstritten: Der Jurist gilt als Mann mit scharfem Intellekt gekoppelt mit einem bemerkenswerten rhetorischen Talent. Dabei ist sein Metier die Abteilung Attacke, das Brückenbauen ist weniger seine Sache.
Diese Eigenschaft paart sich beim 47-jährigen gebürtigen Vorarlberger und nunmehrigen Wahl-Niederösterreicher mit einem ausgeprägten Hang zum Überzeugungstäter. Der hierzulande beliebte Kompromiss ist seine Sache nicht. Auch nicht in Glaubensfragen: Stadler ist Mitglied der ultra-traditionalistischen katholischen Pius-Bruderschaft. Und ausgerechnet den antiklerikalen Freiheitlichen schrieb er einst das "wehrhafte Christentum" ins Parteiprogramm.
Zu Beginn seiner Karriere reizte er die Ländle-ÖVP trotz aufrechter schwarz-blauer Koalition derart, dass ihn die eigene Partei nach Wien abschob, um die eigene Machtbeteiligung nicht zu gefährden. Im Hohen Haus erwarb sich Stadler schnell den Ruf, Jörg Haiders Dobermann zu sein. Der Beißer und Kläffer war aber spätestens mit der Regierungsbeteiligung der FPÖ 2000 nicht mehr gefragt, die Partei lobte ihn 2001 auf den Posten des blauen Volksanwalts weg.
Die Tagespolitik musste dennoch nicht auf ihn verzichten, unvergessen etwa seine führende Rolle beim mittlerweile legendären Delegiertentreffen zu Knittelfeld 2002, das zum Rücktritt der freiheitlichen Regierungsspitze, zu Neuwahlen und schließlich zum Absturz der FPÖ von 27 auf 10 Prozent führte.
Im Zuge der Spaltung der FPÖ 2004 kämpfte Stadler erneut an vorderster Front, diesmal gegen Haider und auf Seiten Heinz-Christian Straches. Die neue Allianz sollte allerdings nicht lange halten: Stadler überwarf sich mit Strache und kam schließlich einem Parteiausschluss nur durch einen Austritt zuvor. Strache machte ihn für das Auftauchen pikanter Jugendfotos in Medien verantwortlich, die Strache beim Kriegsspiel im Wald zeigen.
Seinen stets hochgehaltenen Prinzipien untreu wurde Stadler im vergangenen Sommer, als er zur Überraschung aller plötzlich zum BZÖ hinüberwechselte; wohlgemerkt zu jener Partei, die er selbst einst als Bienenzüchter Österreichs verspottete.
Aus dem seit dem Unfalltod Jörg Haiders schwelenden Machtkampf im BZÖ hielt sich Stadler - zumindest von außen betrachtet - heraus. Wahrscheinlich im Wissen, dass einer wie er, dem ehemalige Weggefährten trotz aller Brillanz einen fatalen Hang zu Verschwörungstheorien nachsagen, nicht mehrheitsfähig ist.
Dennoch könnte der eklatante Mangel an profilierten Köpfen ihm nun den Weg zur orangen Spitzenkandidatur für die EU-Wahl am 7. Juni sichern. Wieder eine Solorolle für den ewigen Einzelkämpfer in der österreichischen Politik. Das EU-Parlament darf sich freuen. Ein Mann mit Mission wartet auf seinen Auftritt.
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