Polen bereitet sich auf die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft vor - und hat dabei nicht nur sportliche Hürden zu nehmen.
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Früher sind dort russische Büstenhalter verkauft worden, Raubkopien von Videokassetten und CDs, selbstgemachter Schnaps, Haushaltsgeräte und Werkzeug. Die Fama ging, dass sich bis zu einer AK 47 alles dort besorgen ließ. Es hält sich sogar das Gerücht, dass ein Mann einmal einen Hundewelpen erstanden hatte, der sich beim Heranwachsen als Bär entpuppte. Jedenfalls war der "Europa-Markt", angesiedelt auf den oberen Rängen des ausrangierten Fußballstadions im Warschauer Stadtteil Praga, ein riesiger Basar.
Doch nun soll dort wieder gekickt werden. Zwar später als geplant, weil nach dem Abriss des alten Stadions der Neubau auf zahlreiche Schwierigkeiten stieß. Aber die Polen sind guter Dinge: Noch heuer, vielleicht im Oktober, ist die Arena fertig, sagen die Verantwortlichen. Auf alle Fälle rechtzeitig vor der Fußball-Europameisterschaft, die Polen gemeinsam mit der Ukraine im Sommer des kommenden Jahres ausrichtet.
Allein die Pläne Warschaus, in deren Realisierung fast fünf Milliarden Euro fließen, waren ambitiös: ein Ausbau der U-Bahn und des gesamten öffentlichen Verkehrs, neue Straßen, eine Zugverbindung vom Flughafen ins Zentrum der Stadt. Immerhin werden im Juni eine Million Gäste im Land erwartet.
Doch die Verbesserung der Infrastruktur, vor allem der Straßenbau, war in Polen nie eine leichte Sache. Und auch diesmal wird die Regierung wohl Abstriche bei ihren Vorhaben machen müssen. Denn laut Medienberichten ist fast die Hälfte der Straßenbau-Projekte, die bis 2012 fertig sein sollen, gefährdet. Immerhin an die 900 Kilometer neue Autobahnen und mehr als 2000 Kilometer Schnellstraßen hat die Regierung vorgesehen. Doch zumindest 200 Kilometer Autobahn und fünfmal so viel Schnellstraßen sollen bereits aus den Plänen gestrichen sein. Danach werde sowieso zunächst einmal kein Geld mehr für weitere Projekte da sein, fürchten Experten.
Allerdings seien die Distanzen zwischen den Austragungsorten in beiden Ländern so groß, dass die meisten Fans wohl den Flugweg nehmen werden, meint Mikolaj Piotrowski vom Koordinationsteam PL 2012. Was die Polen wiederum vor die Herausforderung stellt, ihre Flughäfen auszubauen. In Danzig, Wroclaw und Poznan muss die Kapazität für die Abfertigung von Abflügen und Landungen von 17 auf 35 pro Stunde erhöht werden.
Die Ukrainer wiederum haben noch ein zusätzliches Problem. Sie brauchen, um überhaupt zu einem Match ins Nachbarland reisen zu dürfen, ein Visum. Wer ein Ticket für ein Spiel im Original vorlegt, soll es auf jeden Fall bekommen, heißt es aus dem ukrainischen Außenministerium. Selbstverständlich werden dabei alle Anforderungen für die Ausstellung von Schengen-Visa beachtet, versichern umgekehrt die Polen.
Gleichzeitig möchten sie die Wartezeiten an den Grenzen verkürzen. Derzeit kann es bis zu vier Stunden dauern, um nach Polen einzureisen. Das soll auf eine Stunde reduziert werden. Die Grenzsicherheit sei aber genauso wichtig wie der Stadienbau.
Die Unkenrufe, dass die Stadien nicht fertig werden, hat es übrigens noch vor so gut wie jeder Europa- oder Weltmeisterschaft gegeben. Zum Schluss ist es aber doch gut gegangen. Das wird wohl auch so mit dem neuen Nationalstadion in Praga sein.
Die Erinnerung an den Basar wird trotzdem bleiben. Böse Zungen behaupten, dass die geflochtene weiß-rote Kunststoffverkleidung an den Außenwänden stark an die geflochtenen weiß-rot-blau karierten Plastiktaschen erinnert, in denen die Waren vom Markt nach Hause getragen wurden.