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Neujahrswünsche

Von Thomas Seifert

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Thomas Seifert.

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Die Zeiten, in denen das Wünschen noch geholfen hat (© Peter Handke), sind Vergangenheit: 15 Grad am letzten Tag des Jahres, Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un droht mit einem Atomangriff, und US-Präsident Donald Trump veröffentlicht als Neujahrsgruß ein martialisches Video mit jeder Menge Soldaten, Kampfjets und Hubschraubern im Bild. Nicht gut. Gar nicht gut.

Und in Österreich, der kleinen Welt, "in der die große ihre Probe hält", wie der deutsche Dichter und Dramatiker Friedrich Hebbel einst dichtete? 2018 wird für das Land ein Jahr der Reflexion. Es gilt zurückzublicken auf 100 Jahre Republik und ans Jahr 1938 zu erinnern.

Österreich wird in der zweiten Jahreshälfte den EU-Vorsitz innehaben, und Wien wird eine wichtige Rolle beim Management der Brexit-Verhandlungen zukommen. Der erste Wunsch lautet somit: 2018 möge Albion die Einsicht schenken, dass man den Kuchen nicht gleichzeitig essen und behalten kann, wie das der verhaltensauffällige konservative Außenminister Boris Johnson stets kontrafaktisch behauptet. Will Großbritannien nun Zugang zum gemeinsamen Markt - oder nicht? Mit dem Brexit fehlen jedenfalls rund 13 Milliarden Euro in den EU-Kassen.

Daraus ergibt sich ein zweiter Wunsch: 2018 möge den Proponenten der illiberalen Demokratie von Jarosaw Kaczynski bis Viktor Orbán die Augen öffnen. Vielleicht gibt es ja angesichts der Verhandlungen um den EU-Finanzrahmen ein Einsehen, dass ständige Hetze gegen Berlin und Paris (und Gängelung der Demokratie im eigenen Land) keine so gute Idee ist, wenn man gleichzeitig total am Tropf der EU hängt.

Der dritte Wunsch: 2018 möge der Bundesregierung klar werden, dass Migrationspolitik zwar ein wichtiges Politikfeld ist, aber bei Weitem nicht die drängendste Überlebensfrage für die Republik darstellt: Denn das sind die Felder Innovation, Wissenschaft und Bildung. In Wien sieht es da laut Eurostat-Daten ganz gut aus, im Rest des Landes herrscht durchaus Aufholbedarf. Der vierte Wunsch: mehr Vernunft. Papst Franziskus und UN-Generalsekretär António Guterres sind sich einig: Drohende Klimakatastrophe und Atomkriegsgefahr sind eine Bedrohung für die Menschheit. Hoffentlich, so der Wunsch ans Jahr 2018, ist an der Textzeile der Toten Hosen etwas Wahres dran - in einem ihrer Lieder singt die deutsche Band verheißungsvoll: "Es kommt die Zeit, in der das Wünschen wieder hilft."