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Neuland für eine Generation

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

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Die Dialogbereitschaft von Regierungen hängt direkt proportional mit der Größe des zu bewältigenden Problems zusammen. Oder einfacher ausgedrückt: Je wichtiger, komplizierter, komplexer und langfristiger eine Herausforderung, desto eher sind die Entscheidungsträger bereit, möglichst viele Akteure in ihr Boot zu bekommen.

Der Grund liegt auf der Hand: Wenn das Thema wichtig, simpel und kurzfristig ist, lässt es sich keine Regierung nehmen, sich als starker Entscheider in Pose zu werfen. Nur wenn die politischen und ökonomischen Kosten in der Gegenwart berappt werden müssen, die Lorbeeren aber, wenn überhaupt, dann Jahrzehnte später zur Verteilung gelangen, ist Teamwork plötzlich auch für wenig altruistische Akteure wie Parteien attraktiv.

Wenn also jetzt ÖVP und FPÖ die Ziele ihrer Klima- und Energiestrategie 2030 mit dem Aufruf "Beteiligen Sie sich!" präsentieren, kann man erahnen, wie schwer dieser Brocken der Koalition im Magen liegt. Immerhin sollen bis 2030 die CO2-Emissionen um 36 Prozent gegenüber 2005 reduziert werden - ohne neue Steuern oder sonstige zusätzliche Belastungen.

An Komplexität sowie kurz-, mittel- und langfristigen Folgekosten kann es höchstens noch das Thema Migration mit dem Klima- und Energiebereich aufnehmen. Und beiden Mega- und Metathemen ist gemeinsam, dass sie enorme Investitionen in die Gegenwart und die unmittelbare Zukunft erfordern, nur um langfristig noch viel höhere Aufwendungen abzuwenden; dass nationale Politik höchstens Teillösungen zustande bringt und es für nachhaltige Weichenstellungen transnationale, im Idealfall weltumspannende Entscheidungen braucht; dass die Politik der einen Großtat nicht funktioniert, weil es unendlich vieler kleinerer Entscheidungen auf allen politischen Ebenen und in praktisch allen Lebensbereichen bedarf, um einer Lösung näherzukommen.

Mit anderen Worten: Politik in diesen beiden Mega- und Metathemen entzieht sich eigentlich und sofern man sie ernst nimmt praktisch allen Gesetzmäßigkeiten eines postmodernen Politikmarketings, das in Österreich nicht erst mit dieser Regierung Einzug gehalten hat. Stattdessen muss sie wieder werden, was sie in Zeiten großer Probleme immer schon gewesen ist, jedenfalls wenn sie erfolgreich sein wollte: eine gesamtgesellschaftliche Strategie.

Für die heimischen Politiker (und Bürger) der heutigen Generation, gleich welcher Partei, ist ein solches Unterfangen Neuland. Wir alle kennen solche großen Projekte nur vom Hörensagen oder aus den Geschichtsbüchern. Entsprechend kann die Politik die Mitarbeit, die sie einfordert, gut gebrauchen. Das Entscheiden nimmt ihr trotzdem keiner ab.