Der Zwist zwischen den Privatsendern und dem ORF ist für den bedauernswerten Zustand des deutschsprachigen Fernsehens symptomatisch. Die harsche Kritik von ORF-Programmchef Wolfgang Lorenz, die Privatsender agierten in manchen Formaten faschistoid und menschenverachtend, wurde von diesen empört zurückgewiesen. So weit, so klar. Allerdings nicht mit Argumenten, die den Vorwurf entkräften können, sondern mit einem Gegenvorwurf, dass die Kommentare des angeblichen "Schockrockers" Marilyn Manson in der ORF-Show "Helden von Morgen"-Show ja auch sexistisch waren. Das erinnert an die Sandkiste, wo dem Argument "Du bist blöd!" mit einem gleichermaßen erbitterten wie eloquenten "Selber!!!" entgegnet wird.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Das Fernsehen an sich bringt derzeit Menschen dazu, Kakerlaken, Schafsaugen und Hirschhoden zu essen. Es bringt Menschen dazu, ungehemmt ihre Aggressionen aneinander abzulassen. Menschen lassen sich für die Chance auf ein bisschen Ruhm vom Publikum unter rüden Gesten ausbuhen und von einem ehemaligen Popstar öffentlich zur Sau machen. Es hebt junge Menschen in lichte Höhen, um sie dann gnadenlos fallen zu lassen. Es spielt sich zum Staats-
anwalt und Richter in Personalunion auf.
Das alles kann man sehen, wie man will. Ausgerechnet Programmchef Wolfgang Lorenz ist nicht unbedingt der berufendste Mund für Kritik - sofern es sich dabei nicht um rare, selbstreflexive handelt. Aber dass das Fernsehen global gesprochen an einem absoluten Tiefpunkt angekommen ist, ist wahr. Leider wird das jedoch noch lange nicht das Ende der Fahnenstange sein.