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Neun Jahre Haft im Wiener Terrorprozess

Von Daniel Bischof

Politik

"Besonders verwerfliches Motiv": Angeklagter K. schuldig gesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.


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Wien. Neun Jahre Haft - nicht rechtskräftig. So lautet das Urteil gegen den Angeklagten Lorenz K. im Wiener Terrorprozess. Der 19-Jährige wurde am Freitagabend von den acht Geschworenen in zentralen Anklagepunkten - versuchte Bestimmung zum Mord in zwei Fällen, jeweils in Form einer terroristischen Straftat - mehrheitlich schuldig erkannt. Verteidiger Wolfgang Blaschitz erbat Bedenkzeit, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab. Erschwerend wurde bei der Strafbemessung das Handeln aus einem "besonders verwerflichen Motiv", nämlich aus radikalislamistischen Beweggründen, gewertet. Eine offene bedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten aus einer einige Zeit zurückliegenden Vorverurteilung wurde dem 19-Jährigen nicht widerrufen. Zudem wurde K. vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Der Angeklagte soll einen Zwölfjährigen dazu angestiftet haben, einen Selbstmordanschlag im deutschen Ludwigshafen zu versuchen. Laut Anklage hat er - gemeinsam mit einer jungen Frau, mit der K. nach islamischen Recht verheiratet ist - auch eigene Anschlagspläne für eine Attacke in Deutschland vorbereitet.

Der Prozess gegen K. hatte vergangenen Mittwoch begonnen und sich über fünf Verhandlungstage erstreckt. K. bekannte sich schuldig, Mitglied einer terroristischen Vereinigung und einer kriminellen Organisation gewesen zu sein. Er habe sich dem Islamischen Staat (IS) angeschlossen, gab der 19-Jährige zu. Zu den anderen Anklagevorwürfen zeigte er sich nicht geständig. Seine Attentatspläne seien nie in ein konkretes Umsetzungsstadium getreten.

"Mir war es gleichgültig"

Zudem habe der Zwölfjährige ohne sein Zutun den Anschlag geplant, meinte der Angeklagte. "Wollten Sie, dass er es macht?", fragte der vorsitzende Richter. "Mir war es gleichgültig", antwortete K. Befehle habe er dem Buben nie gegeben. Bei seinen Schlussworten am Freitag räumte er aber ein: "Ich habe einen Riesenmist gebaut". Zwar sei er von seinen radikalen Ansichten noch nicht komplett geheilt. "Von der IS-Ideologie distanziere ich mich aber." Der Deradikalisierungsprozess beim Angeklagten sei bereits im Gange, aber noch lange noch nicht abgeschlossen, meinte hingegen der Staatsanwalt.

K. war im Laufe des Prozesses von einigen Zeugen entlastet, von anderen belastet worden. Er habe den Angeklagten im Internet kennengelernt und nur am Laufenden gehalten, meinte der Bub, den K. zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt angestiftet haben soll. "Die Idee kam von mir", sagte der nunmehr 14-Jährige aus. Als er neun gewesen sei, habe er schon Bomben gebaut. Er habe den IS und seine Ziele gut gefunden. Deshalb habe er "was in Deutschland machen" wollen.

Am 26. und 28. November 2016 versuchte der Bub, die Bombe auf dem deutschen Weihnachtsmarkt hochgehen zu lassen. Nur aufgrund eines technischen Fehlers explodierte sie nicht. Der 14-Jährige kann strafrechtlich nicht belangt werden, da er zum Tatzeitpunkt nicht strafmündig war. Er lebt in einer Sozialeinrichtung und wird - auch von einem Psychotherapeuten - betreut.

Der 14-Jährige sei keiner, "der nach der Schule Ponyreiten geht", meinte der Staatsanwalt. Klar sei aber auch, dass K. den Buben - entweder als Bestimmungs- oder Beitragstäter - angestiftet habe. "In den Chatprotokollen schreiben die beiden unverblümt, was Sache ist", sagte der Ankläger. So soll K. das Anschlagsziel vorgegeben haben. Das Kind schlug eine Kirche als Ziel vor. "‚Bei euch muss es doch auch Weihnachtsmärkte geben. Viel mehr Menschen dort‘", so K. zu dem Buben.

"Er war ein fröhliches Kind"

Emotional wurde es bei den Aussagen der Eltern des 19-Jährigen. "Er war ein fröhliches Kind, beinahe ein Kasperl", sagte die Mutter. Auf die albanischen Wurzeln der Familie und Religion hätte man bei der Erziehung keinen Wert gelegt. In der Schule habe ihr Sohn aber Probleme gehabt, auch sei er in den falschen Freundeskreis geraten.

Mit 15 wurde K. erstmals gerichtlich verurteilt und landete im Gefängnis. Dort kam er über Zellengenossen in Kontakt mit dem Islam. Nach der Haftentlassung verlor K. seine Lehrstelle, da das Unternehmen von seinen Vorstrafen erfuhr. Zu Hause radikalisierte er sich immer mehr. Die Eltern - die Mutter arbeitet als Krankenschwester, der Vater als Sozialbetreuer - bekamen davon nichts mit. "Es tut mir wahnsinnig leid", bemerkte die Mutter dazu.

Befragt wurde auch das Mädchen, das K. nach islamischen Recht geheiratet hat. Gegen die nun 17-Jährige läuft in Düsseldorf ein Verfahren wegen staatsfeindlicher Verbindungen. K. habe sie online kennengelernt: "Er konnte gut islamisch argumentieren. Da habe ich angefangen, falsche Sachen zu glauben", gab die junge Frau an. Sie habe zum IS gefunden und gelernt, "dass andere Religionen nicht akzeptiert werden sollen". K. sei vom IS "von Anfang an fest überzeugt" gewesen.

"Dann kam das Thema auf, einen gemeinsamen Anschlag zu planen. Ich war dazu nicht bereit, weil ich nicht so früh sterben wollte." Sie habe nachgegeben, aber gehofft, dass nichts passieren werde. K. hätte "einen Platz, wo sehr viele Menschen sind" als Ziel im Sinn gehabt. "Ich wusste, dass er eine Bombe baut."

Verhaftung in Wien

K. reiste nach Deutschland, am 1. Dezember traf er das Mädchen erstmals persönlich, er heiratete sie unter Beiziehung eines Imams. Nach einem zweiten Treffen am 3. Dezember 2016 erfuhr ihr Vater von der Beziehung. Weitere Treffen wurden ihr verboten, der Vater schaltete die Polizei ein.

Die deutschen Beamten vernahmen K. und fanden auf seinem Handy auch ein Foto von einer Bombe, die der Angeklagte mit einem anderen Deutschen erfolgreich getestet hatte. Er wurde aber auf freien Fuß gesetzt. K. reiste nach Wien zurück. Angeblich soll er überlegt haben, Anschläge in Österreich zu verüben. Aufgrund eines Hinweises aus Deutschland wurde er im Jänner 2017 in Wien festgenommen.