Über 60 Organisationen arbeiten zusammen daran, dass Wien in den nächsten zehn Jahren gesünder wird.
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Wien. "Die Wienerinnen und Wiener sollen in Zukunft eineinhalb Jahre länger gesund leben", erklärte Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) gestern, Donnerstag, im Rathaus. Gemeinsam mit der Wiener Frauengesundheitsbeauftragten Beate Wimmer-Puchinger präsentierte sie die Gesundheitsziele der Stadt für die kommenden zehn Jahre.
Neun Ziele in zehn Jahren
133 Experten aus 62 Organisationen - unter anderem der Wiener Apothekenkammer, der Ärztekammer Wien, des Krankenanstaltenverbunds und des Stadtschulrates - haben gemeinsam neun Gesundheitsziele für Wien erarbeitet, die bis 2025 umgesetzt und erreicht werden sollen. Neben einer Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche hat man sich vorgenommen, die Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt zu stärken und Selbstständigkeit und Lebensqualität bis ins hohe Alter zu fördern. Die Etablierung einer integrierten Versorgung soll stationäre und niedergelassene medizinische Versorgung enger miteinander verbinden und Patienten und Angehörigen die Betreuung und Behandlung nach einer Krankenhausentlassung erleichtern. Eine Förderung der Gesundheitskompetenzen der Wiener soll die Bevölkerung dafür sensibilisieren, welche Möglichkeiten der medizinischen Versorgung ihnen zur Verfügung stehen. Ein weiteres Ziel ist die Verbesserung von Prävention, Früherkennung und Behandlungsabläufen.
Auch die psychosoziale Gesundheit der Wiener soll gestärkt werden. "Wie bereits die Weltgesundheitsorganisation (WHO) so treffend gesagt hat, gibt es keine Gesundheit ohne psychische Gesundheit", bemerkt Beate Wimmer-Puchinger. So soll der Gedanke von Gesundheit als ganzheitlichem Prozess konsequent umgesetzt werden. Ebenso soll die städtische Umweltbelastung gering gehalten, Bewegung gefördert und ein Gesundheitsmonitoring aufgesetzt werden.
Sechsjährige ohne Karies
Die formulierten Ziele wirken auf den ersten Blick sehr vage und mehr wie eine Mission denn eine Zielsetzung. Im Fall der Gesundheitsziele wurde jedoch großer Wert auf Eindeutigkeit und Messbarkeit gelegt. Die meisten Gesundheitsziele beinhalten konkrete Indikatoren, die zeigen sollen, ob Maßnahmen greifen und Ziele wirklich erreicht wurden, erklärt Beate Wimmer-Puchinger. "Es ist internationaler Trend, dass die Kaiserschnittsraten hinaufgehen - darüber sind führende Organisationen wie die WHO aber gar nicht glücklich", führt die Medizinerin als Beispiel an. "Daher wollen wir bis 2025 die Rate dieser Geburten von knapp 30 Prozent auf 25 Prozent herabsenken." Der Anteil an Frühgeburten soll bei 8 Prozent stabilisiert werden. Darüber hinaus sollen mehr als die Hälfte aller sechsjährigen kariesfrei werden und alle Wiener Jugendlichen zwischen 11 und 15 Jahren fünfmal pro Woche mindestens eine Stunde körperlich aktiv sein. "Wir haben unsere Ziele so gewählt, dass sie erreichbar sind - aber mit Anstrengungen", fügte Wehsely hinzu.
Mindestens ein Viertel aller Arbeitnehmer soll in Zukunft in Unternehmen beschäftigt sein, die qualitätsgesicherte betriebliche Gesundheitsförderung verfolgen. Dass Frauen und Männer bis 2025 im Schnitt wie eingangs angesprochen um eineinhalb Jahre länger in Gesundheit leben sollen als momentan, wurde als Indikator für eine Verbesserung der Lebensqualität im Alter bestimmt. Diese konkreten Vorgaben haben einen weiteren Effekt: Werden sie nicht umgesetzt oder erreicht, ist es für die Verantwortlichen schwerer, dies schönzureden als bei unbestimmten Zielsetzungen.
Gesundes Buffet
Die Expertenkommission hat zu jedem Unterpunkt der Gesundheitsziele eine Reihe an Maßnahmenvorschlägen erarbeitet. Beispielsweise soll die Aus- und Weiterbildung von Pädagogen in den Bereichen Ernährung und Gesundheitsförderung bereits ab dem Kindergarten zu einer Reduktion oder zumindest Stabilisierung krankhaften Übergewichts (Adipositas) bei Kindern und Jugendlichen beitragen. Auch wird weiterhin forciert, dass Schulen mit Trinkwasserbrunnen und Richtlinien bei Buffets gesunde Alternativen zu Softdrinks und Schokoriegeln bieten. Auch Eltern sollen mehr über gesunde Ernährung informiert werden.
Die Wiener Gesundheitsziele sind allesamt "sex- und genderspezifisch". Das hat jedoch nichts mit der Verwendung des Binnen-I zu tun. Beate Wimmer-Puchinger erklärt, was es mit dieser Formulierung auf sich hat. "Nehmen wir die Kinder und Jugendlichen als Beispiel. Da wissen wir, dass sich die Mädchen weniger bewegen als die Jungen. Daher haben wir in unsere Zielformulierungen aufgenommen, dass dahingehende Verbesserungsmaßnahmen vor allem auf Mädchen ausgerichtet sein sollen. Auch beim Rauchen haben die Mädchen leider schon die Buben überholt." Ebenso wurde bei anderen Zielgruppen wie Berufstätigen darauf geachtet, mit welchen spezifischen Problemen Frauen und Männer konfrontiert sind, erläutert die Medizinerin weiter. "Wir haben die Ziele dann jeweils nochmals auf soziale Ungerechtigkeit, Gesundheitskompetenz, Gendergerechtigkeit und auf psychische Gesundheit durchdekliniert und das hineingepackt."
Keine konkrete Summe
Die Umsetzung der Gesundheitsziele stellt für die Stadt Wien nicht unerhebliche Investitionen dar. Man habe sich darüber zwar bereits Gedanken gemacht, so Wehsely, eine konkrete Summe könne sie aber nicht nennen. Da so viele Institutionen gemeinsam an einem Strang zögen, sei es schwer, genau zu definieren, wo wie viel an zusätzlichen Kosten für die Stadt entstünde. "Außerdem kosten die meisten Punkte nicht per se mehr Geld, sondern erfordern eine bessere Vernetzung, um umgesetzt werden zu können", merkte sie an.
Über die Einigkeit und die Zusammenarbeit aller beteiligten Organisationen war auch Beate Wimmer-Puchinger erstaunt. "So viele Vertreter aus verschiedenen Gremien haben sich von Anfang an gemeinsam an einen Tisch gesetzt und auf ein Ziel hingearbeitet. Es freut mich sehr, dass es so eine breite Kooperation gab", betonte die Medizinerin im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Die Gesundheitsziele wurden von Rot-Grün übrigens in seltener Einigkeit mit der Wiener ÖVP im Gesundheitsausschuss abgesegnet. Einzig die FPÖ verweigerte ihre Unterstützung. Der Katalog wurde vom blauen Gesundheitssprecher Peter Frigo und dem nicht amtsführenden Stadtrat David Lasar auf einer separaten Pressekonferenz als "nett aber unrealistisch" kritisiert.