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New Deal auf Österreichisch

Von Reinhard Göweil und Marina Delcheva

Politik

Die Regierung wird im Jänner ein überarbeitetes Arbeitsprogramm vorlegen - es geht um Jobs (und die Vermeidung von Streit).


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Wien. Es ist - auch zeitlich - die letzte Chance der Koalition, verlorenes Terrain in der Bevölkerung zurückzugewinnen. Im Lauf des Jänner wird das Regierungs-Duo Christian Kern und Reinhold Mitterlehner ein überarbeitetes Arbeitsprogramm vorlegen, das bis zum Ende der Legislaturperiode abgearbeitet werden soll. "Es geht dabei vor allem um Ziel-Definitionen, es muss nicht jede Maßnahme bis ins kleinste Detail ausgeführt sein", sagte Kanzleramtsminister Thomas Drozda zur "Wiener Zeitung".

Der Schwerpunkt ist klar gesetzt: Es geht um Jobs, hat daher einen starken wirtschaftspolitischen Anstrich. Es wird durchaus ambitioniert, das scheint schon durch. Das Budget 2018 wird wohl etwas anders aussehen müssen, da es zu einigen Umschichtungen wird kommen müssen.

Die größte Herausforderung des aktualisierten Programms liegt aber in den internen Abläufen der Koalition selbst. Das "Schauspiel der Machtversessenheit", wie es Bundeskanzler Christian Kern in seiner "New Deal"-Rede genannt hatte, soll diesmal ausbleiben. Es soll nicht mehr darum gehen, dem jeweils anderen Koalitionspartner keinen Erfolg zu gönnen, sondern die wirtschaftliche Entwicklung in den Vordergrund rücken.

Kern und Mitterlehner sowie die Regierungskoordinatoren Drozda (SPÖ) und Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) sind dazu offenkundig entschlossen. Die große Frage wird sein, wie das justierte Programm in den Ländern, von den Parlaments-Abgeordneten und den Sozialpartnern kommentiert wird.

"Die Vorschläge gehen in die richtige Richtung, das ist positiv", sagte ein involvierter Experte unter Zusicherung der Anonymität. Denn die Vorschläge sollen tatsächlich intern festgezurrt und gemeinsam präsentiert werden. Bisher litten durchaus passable Regierungsvorschläge darunter, dass in der Öffentlichkeit über Teilaspekte heftig gestritten wurde. Eines steht schon fest: Es wird ein wirtschaftsfreundliches Programm. "Die Sozialdemokratie steht für Aufstiegschancen von jedermann", sagte Kern bei seinem Amtsantritt.

Zwar zeigen vorläufige Prognosen, dass die Arbeitslosigkeit kaum noch steigen soll, aber deutlich sinken wird sie vermutlich auch 2017 nicht. Das Wirtschaftsforschungsinstitut und das Institut für Höhre Studien prognostizieren für das kommende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,5 beziehungsweise 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das ist zwar etwas mehr, als wir es in den vergangenen Jahren gewohnt waren. An die Wachstumsraten aus der Zeit vor der Finanzkrise kommt das aber nicht heran. Schon im Oktober haben sich ÖVP und SPÖ auf ein Wirtschaftspaket geeinigt. Dieses sieht etwa weitere Innovationsförderungen für kleine und mittlere Betriebe, eine Ausbildungsgarantie für junge Jobsuchende bis 25 und ein kommunales Investitionsprogramm vor. Am 1. Jänner tritt zum Beispiel ein 100-Millionen-Euro-Förderpaket für Start-ups in Kraft. Die Lohnnebenkosten der ersten drei Angestellten sollen über drei Jahre dadurch gefördert werden.

Reallöhne müssen steigen,Entlastungen für EPU

Vorgesehen ist auch die Abschaffung der kalten Progression, eine Evaluierung der bestehenden Förderungen und Entbürokratisierungen im Arbeitsrecht, heißt es aus ÖVP-Kreisen. Auch die beschlossene Investitionszuwachsprämie von 175 Millionen Euro für KMU wird konkretisiert.

Für Industriebetriebe soll der Forschungs-Freibetrag noch einmal erhöht werden. Dieser Punkt ist etwas heikel, denn wenn die Erhöhung zu üppig ausfällt, könnte sie von der EU als verbotene Beihilfe ausgelegt werden, heißt es aus Regierungskreisen.

Und auch für Ein-Personen-Unternehmer (EPU) - das sind in Österreich immerhin 290.000 Personen und 58 Prozent der Wirtschaftskammermitglieder - soll es spürbare Entlastungen geben. Sie sollen künftig einfacher zwischen selbständiger und unselbständiger Beschäftigung wechseln können. Das soll möglichst ohne Doppelgleisigkeiten bei der Sozialversicherung passieren. Die soziale Absicherung dieser Gruppe soll verbessert werden.

Angesichts der aktuell 429.139 Jobsuchenden wird sich vieles im überarbeiteten Programm um die Beschäftigung drehen. Mit welchen Maßnahmen man diese ankurbelt, darüber sind sich Rot und Schwarz noch nicht ganz einig, aber mit einem gemeinsamen Problembewusstsein.

Die ÖVP und die Wirtschaftskammer (WKO) fordern seit Langem eine Arbeitszeitflexibilisierung. Kurz zusammengefasst: Arbeitnehmer sollen auch länger als die derzeit erlaubten zehn Stunden pro Tag arbeiten dürfen. Eine Flexibilisierung ist auch schon im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehen. Konkret steht da: "bei Gleitzeit bis zu 12 Stunden (Gleit- oder Überstunden) unter Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 50 Stunden zur Erreichung größerer Freizeitblöcke". Beschlossen ist sie noch nicht.

Wie nun ein flexibles Arbeitszeitmodell aussehen soll, wird in den kommenden Jänner-Wochen verhandelt. "Die Arbeitsrealitäten haben sich verändert. Das kann und muss man anpassen", sagt Christoph Ertl, Sprecher von Sozialminister Alois Stöger. Diese Anpassung dürfe aber nicht nur zugunsten der Arbeitgeber ausfallen. Das bedeutet, dass auch Arbeitnehmer von flexiblen Arbeitszeiten gebrauch machen sollen. Zum Beispiel, wenn sie einen Pflegefall in der Familie haben.

"Man muss die Arbeitszeit laut der Notwendigkeit der Betriebe und des Umfelds gestalten", sagt Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der WKO. Wegen der bestehenden Regeln sei es schwer, flexibel auf Auftragsänderungen zu reagieren. So unflexibel ist das Arbeitsrecht nicht. Unter bestimmten Bedingungen und in manchen Branchen dürfen Angestellte schon jetzt länger als zehn Stunden pro Tag arbeiten; bei Schichtarbeit, im Rahmen von Gleitzeitmodellen oder einer Vier-Tage-Woche etwa.

"Sie dürfen einen Arzt nicht mit einem Fabriksarbeiter vergleichen", sagt Gewerkschaftssekretär Bernhard Achitz. Vom ÖGB kommt noch ein Nein zur Lockerung der Tagesarbeitszeit. Längere Dienstzeiten würden sich negativ auf die Gesundheit und das Unfallrisiko auswirken, besonders bei körperlicher Arbeit. Aber: Man könne über Modelle sprechen, die beiden Seiten zugutekommen. Auch über eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich würde der ÖGB gern sprechen, um der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Von der anderen Seite der Sozialpartnerschaft, der WKO, kommt aber nach wie vor ein striktes Nein dazu.