Verfassungsgerichtshof ordnet die Wiederholung der landespolitisch delikaten Bürgermeister-Stichwahlen in Hohenems und Bludenz an.
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Bregenz. Als "Schule der Demokratie" wird Gemeindepolitik gerne verklärt. Als Ort, wo nicht ständig gestritten wird, sondern das Gemeindewohl im Vordergrund steht. Das stimmt oft, allerdings nicht immer. Und mitunter wird so mit allen Haken und Ösen um die Macht gekämpft, dass es sogar dem Verfassungsgericht zu viel ist. Am Montag hat deshalb das Höchstgericht entschieden, dass die Bürgermeister-Stichwahlen vom März in den Vorarlberger Städten Hohenems und Bludenz wiederholt werden müssen. Und zwar aufgrund offensichtlicher Rechtswidrigkeiten bei der Beantragung und Ausstellung von Wahlkarten in beiden Gemeinden.
Die Situation ist durchaus politisch delikat, zumal in beiden Städten jeweils die im Land dominierende ÖVP um Haaresbreite den Bürgermeistersessel in den symbolisch gewichtigen Ortschaften verteidigen konnte. Das trifft vor allem auf die Nibelungenstadt Hohenems zu (hier wurden im 18. Jahrhundert zwei der drei bedeutendsten Handschriften des Nibelungenlieds gefunden).
Literarisch berühmt,politisch berüchtigt
In der 15.000-Einwohner-Stadt im Rheintal kandidierte FPÖ-Landesparteiobmann Dieter Egger als Herausforderer des amtierenden Bürgermeisters Richard Amann (ÖVP). Die Stadt ist nicht nur berühmt für ihr Jüdisches Museum, sondern auch für ihre von Streit und Intrigen geprägte politische Kultur berüchtigt, die die ÖVP an den Rand der Selbstvernichtung gebracht hat. Zudem lieferten sich der freiheitliche Egger und der Direktor des Jüdischen Museums, Hanno Loewy, einen jahrelangen Schlagabtausch.
Bei der Gemeinderatswahl schaffte die FPÖ einen Erdrutschsieg und wurde mit 42,3 Prozent stimmenstärkste Kraft vor der ÖVP. Auch bei der Bürgermeister-Direktwahl überflügelte Egger den Amtsinhaber mit 35 zu 45 Prozent. Eine Stichwahl musste also die Entscheidung bringen.
Und in dieser mobilisierte die ÖVP eine Anti-FPÖ-Koalition, die auch die SPÖ und eine grüne Bürgerliste miteinschloss. Tatsächlich konnte sich Amann denkbar knapp mit 50,8 Prozent gegen Egger durchsetzen - 121 Stimmen machten den Unterschied aus. Anschließend verweigerte dieses Parteienbündnis der FPÖ auch den Vize-Bürgermeisterposten. Von daher war es dann wenig verwunderlich, dass - als Meldungen über Ungereimtheiten bei der Ausgabe der Wahlkarten medial die Runde machten - die FPÖ die Wahl vor dem Verfassungsgericht anfechten würde. Konkret waren Wahlkarten für Familienangehörige beantragt und ausgefolgt worden, zudem ist eine "Sammelbestellung" von Wahlkarten für Heimbewohner vorgenommen worden. Am Montag bekamen die Blauen recht, woraufhin Egger den sofortigen Rücktritt Amanns einforderte. Dieser zog es vorerst vor zu schweigen.
Rote Zwerge hoffenauf Erfolg
Weit unspektakulärer liegen die Verhältnisse in der 14.000-Einwohner-Stadt Bludenz, wo in mehr als 60 Fällen Wahlkarten von Parteifunktionären für andere Personen beantragt und ausgestellt wurden. Anders als in Hohenems ging den "Rechtswirdigkeiten", so der VfGH, in der Schoko-Stadt (hier hat der Schokoladenproduzent Suchard einen traditionsreichen Standort) keine personalisierte Schlammschlacht zwischen dem ÖVP-Amtsinhaber Mandi Katzenmayer und seinem SPÖ-Herausforderer Mario Leiter voraus. Die Stichwahl ging dafür noch knapper zugunsten Katzenmayers aus, der mit nur 27 Stimmen die Oberhand behielt. Trotz massiver Verluste gelang es der ÖVP; wenigstens knapp stimmenstärkste Partei zu bleiben. Nach Bekanntwerden der Ungereimtheiten entschloss sich hier die SPÖ zur Wahlanfechtung.
SPÖ-Kandidat Leiter forderte nun einen raschen Wahltermin "noch in den nächsten 14 Tagen" und einen "Nichtwahlkampf". Bürgermeister Katzenmayer kann sich mit dem Wunsch, nicht zu plakatieren und keine öffentlichen Veranstaltungen abzuhalten, anfreunden. Gewinnt Leiter die Bürgermeister-Stichwahl, wäre er der erste SPÖ-Bürgermeister einer Vorarlberger Stadt seit 20 Jahren. Die Kanzlerpartei segelt im Ländle knapp an der Wahrnehmungsgrenze entlang.
Rechtlich könnte es sowohl für Amann wie auch für Katzenmayer noch ein Nachspiel geben. In beiden Fällen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Amtsmissbrauchs und Wahlfälschung.