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Nicaraguas Herrin der dreißig Ringe

Von Alexander U. Mathé

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Die Frau von Präsident Daniel Ortega gilt als | heimliche Machthaberin des Landes.


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Eigentlich ist Rosario Murillo ja "nur" die Frau des Präsidenten. Andere an ihrer Stelle wandeln im Schatten des prominenten Staatenlenkers, dem sie angetraut sind. Nicht so Murillo. Sowohl in Nicaraguas Öffentlichkeit als auch in der Politik selbst steht sie im Mittelpunkt. Für viele Nicaraguaner ist die 62-Jährige sogar die heimliche Regentin des Landes - noch vor ihrem Mann Daniel Ortega. Sie präsidiert bei Kabinettssitzungen, erklärt in fast täglichen Fernsehauftritten staatliche Projekte und preist die Politik der Partei ihres Mannes an. Dabei zieht sie mit ihrer schillernden Erscheinung die Blicke der Gesellschaft auf sich. Sie sieht aus, als sei sie via Zeitmaschine aus der Flower-Power-Ära direkt ins dritte Jahrtausend geschleudert worden. Ihre auffällige Garderobe wechselt sie ständig: Eine Zeitung sah sich Murillos Bilder der letzten drei Jahre an und fand heraus, dass sie bei 463 offiziellen Auftritten 462 unterschiedliche Kleider trug. Manch einer nennt sie auch die "Frau mit den dreißig Ringen" - dermaßen viele pflegt sie tragen. Dazu passt auch die ordentliche Portion Esoterik, mit der sie sich in Kombination mit Katholizismus und Naturreligion ihren eigenen Glauben geschaffen hat und an dem sie die Bevölkerung mit "Mutter Erde"- und "Bruder Baum"-Reden rege teilhaben lässt. Das wiederum brachte ihr einen weiteren Spitznamen ein: die "Hexe von Rosario". Politisch ist Murillo eine in der Wolle gefärbte Sandinistin und Revolutionärin, was mit ihrer schöngeistigen Ader kontrastiert. Sie besuchte das Gymnasium in einem englischen Konvent, studierte Kunst in der Schweiz. Sie erhielt Sprachzertifikate in Französisch sowie Englisch von den Universitäten Neuchâtel und Cambridge und wurde Sprachlehrerin in Nicaragua. Doch schon bald schloss sich die Frau, die auch eine geachtete Poetin ist, der Sandinistischen Befreiungsfront an. 1979 stürzte diese die seit 43 Jahren bestehende Diktatur der Somoza-Dynastie. Murillo hatte ein Jahr davor Daniel Ortega kennengelernt. Zwar hat das Paar zusammen acht Kinder, geheiratet haben die ursprünglich überzeugten Atheisten aber erst, nach ihrem gläubigen Wandel im Jahr 2005. Angeblich steht Murillo bereit, ihrem sieben Jahre älteren Mann im Amt nachzufolgen, sollte dessen Gesundheit ihn einmal verlassen. Schon jetzt hält sie die Zügel fest in der Hand. Mitglieder der Regierung oder der Sandinistischen Befreiungsfront dürfen in der Öffentlichkeit nichts ohne Murillos OK sagen, heißt es. Gegner werfen dem Präsidentenpaar vor, dass es genau die Art Familiendiktatur aufziehe, die es jahrzehntelang bekämpft hat. Noch dazu, wo im Dezember das Parlament die Begrenzung der Anzahl an Amtszeiten aufgehoben hat.