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Nicht alle freuen sich über einen Urlaub

Von Thomas Rauch

Wirtschaft

Stärkere Rechte der Mitarbeiter. | Ausweg: Urlaubsvereinbarung. | Wien. Bei Kündigungen stellt sich oft die Frage, wie mit offenem Urlaub umzugehen ist: Muss er in der Kündigungsfrist verbraucht werden oder kann ihn sich der scheidende Mitarbeiter ersatzweise ausbezahlen lassen? Noch schwieriger wird die Antwort darauf, da der Oberste Gerichtshof (OGH) selbst keine einheitliche Linie verfolgt.


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Zunächst hat der Gerichtshof entschieden (9 Ob A 2/05t), dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, während der Kündigungsfrist - in der er dienstfrei gestellt war - offene Urlaubsansprüche in einem zumutbaren Ausmaß zu konsumieren. Andernfalls drohe eine Reduktion der Vergütung des offenen Resturlaubs (Ersatzleistung). Nur rund zehn Monate danach erging eine weitere Entscheidung des OGH (9 Ob A 144/05z), wonach eine solche Verpflichtung nicht besteht und nur bei rechtsmissbräuchlicher oder treuwidriger Ablehnung eines Urlaubsangebotes durch den Mitarbeiter eine Verkürzung der Ersatzleistung denkbar ist.

Als treuwidrige Ablehnung wurde beispielsweise angesehen, dass ein während der Kündigungsfrist dienstfrei gestellter Arbeitnehmer das Urlaubsangebot zur Gänze abgelehnt hat. Zusätzlich hat er hinter dem Rücken des Arbeitgebers die bezahlte Freizeit (Dienstfreistellung) zu einem erheblichen Teil tatsächlich für Zwecke verwendet, die die Gewährung von Urlaub erfordern (Begleitung eines Freundes als Privatperson auf einer Dienstreise ins Ausland).

Rat an Dienstgeber

Anhand der beiden Urteile ist wohl davon auszugehen, dass der OGH weiterhin bei der Rechtsmeinung bleiben wird, dass keine Verpflichtung des Arbeitnehmers zum Urlaubsverbrauch während der Kündigungsfrist besteht. Dem Arbeitgeber ist daher zu empfehlen, nach Möglichkeit eine Urlaubsvereinbarung während der Kündigungsfrist abzuschließen oder die Dienstfreistellung abzulehnen, wenn der Arbeitnehmer nicht den restlichen Urlaub verbrauchen will.

Lehnt der Arbeitnehmer ab, so kann der Urlaub nur dann als verbraucht angesehen werden, wenn die Verweigerung des Abschlusses einer Urlaubsvereinbarung missbräuchlich erfolgt. Die bloße Zumutbarkeit des Verbrauchs genügt aber nach der zweiten OGH-Entscheidung nicht für die Annahme des Missbrauchs. Vielmehr müssen sich weitere Umstände für die Annahme eines vom Arbeitgeber zu beweisenden Rechtsmissbrauchs ergeben.

Weiters hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, dass auch schon geringe Zweifel am behaupteten Rechtsmissbrauch zugunsten des Mitarbeiters auszulegen sind. Damit wird dem Arbeitnehmer nahezu eine volle Freiheit zur Ablehnung von Urlaubsangeboten (zur Erzielung einer möglichst hohen Ersatzleistung) eingeräumt und ist dies wohl im Sinne einer entsprechenden Ausgewogenheit der Rechtsprechung kritisch zu hinterfragen.

Der Autor arbeitet in der Wiener Wirtschaftskammer. Die ausführliche Fassung erscheint in der ASoK im Linde-Verlag.