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Nicht auf die Umfragewerte schauen

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Allen kann es der US-Präsident nie recht machen. Aber Obama scheint sich mittlerweile fast wohl dabei zu fühlen, sich Feinde zu machen, wenn er überzeugt ist, das Richtige zu tun.


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Zwei interessante Sätze, die US-Präsident Barack Obama rund um die Präsentation seiner Afghanistan-Strategie gesagt hat, gehen mir nicht mehr aus dem Kopf: Der eine bezieht sich auf die politische Strategie, die seiner Präsidentschaft zugrunde liegt, der andere auf die heikle Frage, ob mit den Taliban verhandelt werden soll. Gehört habe ich diese Sätze während eines Mittagessens in der Bibliothek des Weißen Hauses kurz vor Obamas Afghanistan-Rede in West Point.

Obama klang bei beiden Anlässen trocken und analytisch. Beide Male ging ich mit dem Gefühl weg, dass er keineswegs zur Höchstform aufgelaufen war. Und dennoch lassen mich diese zwei Sätze, die auf viel kreativere und umfassendere Vorstellungen von Regierungsarbeit und Diplomatie hindeuten, nicht mehr los.

Der erste Satz steht im Zusammenhang mit Obamas sinkenden Umfragewerten. Er hat nicht vergessen, dass er gewählt wurde, um die USA zu erneuern, damit alles besser funktioniert, in Politik und Wirtschaft. Und jetzt wird er zu einem Kriegspräsidenten wie sein Vorgänger. Pflegen möchte er sie aber immer noch, die amerikanischen Tugenden von Idealismus, Streben und Zuversicht.

Hier ist einer der Sätze, die mich so beschäftigen: "Die Bedrohung durch Terrorismus ernst zu nehmen, ist ein Teil des Ziels meiner Präsidentschaft, ich möchte aber unsere Vorstellungen von Sicherheit ausweiten: Sie sollen auch Wissenschaft und Technologie beinhalten, ein funktionierendes Bildungssystem, ernsthafte Anstrengungen um saubere Energie, ein umgestaltetes Gesundheitssystem und das Stabilisieren von Defizit und Schulden."

Klingt nach einem ziemlich guten Regierungskonzept. Das Problem ist nur, dass gute Politik zu machen, nicht so funktioniert, wie gute Reden zu halten. Ein Land zu führen, ist nichts Abstraktes. Ein Präsident ist mit realen Krisen konfrontiert: mit einer Wirtschaft, die bei Obamas Amtsantritt nahe am Kollaps war, dazu der zermürbende Krieg in Afghanistan.

Die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist nicht leicht: Was die Milliardenspritzen für die Banken betrifft und die Truppenaufstockung für Afghanistan, wird man es nie allen recht machen können. Aber Obama scheint sich mittlerweile fast wohl dabei zu fühlen, sich Feinde zu machen, wenn er überzeugt ist, das Richtige zu tun.

"Würde ich meine Entscheidungen nach den Umfragen ausrichten", sagte er, "wäre das Bankensystem vielleicht schon zusammengebrochen, wir hätten wohl GM und Chrysler nicht mehr, und es wäre keineswegs sicher, dass die Wirtschaft jetzt wieder wächst." Manche Präsidenten haben ein fast zwanghaftes Bedürfnis nach Zustimmung, Bill Clinton etwa. Obama offenbar nicht. Das ist gut für ihn und die USA. Sein kühler Stil lässt die Menschen aber übersehen, dass er ein Erneuerer ist. Er sollte uns wieder mehr von seinem inneren Feuer zeigen.

Aber nun noch zum zweiten Satz: Ich fragte Obama, ob er die Aussöhnung mit den Taliban unterstützt. "Wir unterstützen die Bemühungen der afghanischen Regierung, die Teile der Taliban zu integrieren, die auf Gewalt verzichten und am politischen Prozess teilnehmen", antwortete er. Und er konkretisierte und vertiefte diese Aussage bei seiner Rede in West Point.

Ein paar Tage später reagierten die Taliban im Internet (alemarah.info) darauf: Sie hätten nicht vor, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen und wären bereit, rechtkräftige Garantien abzugeben, wenn die ausländischen Truppen sich aus Afghanistan zurückzögen. Was genau heißt das? Ich hoffe, das Weiße Haus bittet Saudi-Arabien und Pakistan, das herauszufinden.

Übersetzung: Redaktion