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Nicht daheim und doch in frischer Luft

Von Markus Kauffmann

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Markus Kauffmann , seit 22 Jahren Wiener in Berlin, macht sich Gedanken über Deutschland.

Berlin ist eine hektische Stadt. Auf seine Kosten kommt aber auch, wer sich nur bei einer "Weißen" entspannt. Dafür muss er nicht einmal in einer stickigen Kneipe schmoren.


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Wundern Sie sich bitte nicht, wenn Sie in Berlin einen Einheimischen nach einem gemütlichen Gastgarten fragen - und der mit "Schoenbrunn" oder "Prater" antwortet. Beides sind Freiluftlokale, die nicht nur Touristen zum Verweilen einladen. "Schoenbrunn" wirbt sogar mit "österreichisch-mediterraner Küche" - was immer das sein mag.

"Der" Berliner geht gern aus, zum "Klönen" (= gemütlich mit Freunden tratschen), zum "Zwitschern" (= dudeln) oder einfach zum "Chillen" (neudeutsch für ausruhen). Die "Weiße", die dabei gelegentlich gezwitschert wird, ist übrigens nicht mit dem aus Bayern bekannten Weißbier zu verwechseln. Vielmehr handelt es sich um ein rechtlich geschütztes Schankbier, das nur in Berlin hergestellt werden darf. Der Fachmann trinkt die "Weiße" entweder "mit Strippe" (Korn) oder "mit Schuss" - je nach beigemengtem Sirup "rot" (Himbeer) oder "grün" (Waldmeister).

Doch zurück zur Freiluft-Gastronomie. Dass sich bei steigenden Temperaturen die zahllosen Biergärten füllen, wird den g´standenen Wiener nicht weiter verwundern. Aber dass man am Spree-Ufer im Strandkorb unter Palmen auf dem Sandstrand seine Piña Colada löffeln kann, überrascht schon etwas mehr. Immer breiter wird das Angebot, zum Essen und Trinken nicht daheim zu bleiben und dennoch in der frischen Luft zu sein. Neben den volkstümlichen Biergärten buhlen Strandbars und -Clubs, Dachrestaurants und -gärten, Eisdielen und Restaurantschiffe um die Gunst des Publikums.

Mitten in der Stadt und doch in idyllischer Ruhe liegt beispielsweise das "Café am Neuen See", direkt am Wasser in Berlins "Central Park", dem Tiergarten. Wer nach kühlem Bier und Riesenpizza was für die Verdauung tun will, kann ein Boot leihen und den See erobern. Den Politikern aufs Dach steigen kann man buchstäblich auf dem Reichstagsgebäude, das heute den Bundestag beherbergt. Das edle Restaurant bietet außerdem einen atemberaubenden Blick auf Spree und Brandenburger Tor.

Je höher das Lokal, desto höher die Preise. Sky-Lounges und Penthouse-Clubs in Hochhäusern und auf Dachterrassen bieten dem dicken Geldbeutel sowohl Schlemmen als auch Sightseeing auf "hohem Niveau". In mondän-kühler Clubatmosphäre kann man etwa im "40 seconds" den Blick auf die Nahtstelle des einst geteilten Berlins, den Potsdamer Platz, schweifen lassen. Der Club hat seinen Namen von der Fahrtdauer des Lifts in dem strahlend renovierten Art-déco-Gebäude, einem architektonischen Juwel.

An Höhe unschlagbar, jedoch mit moderaten Preisen, ist das Restaurant auf dem (ehemals Ost-)Berliner Fernsehturm. So kosten Königsberger Klopse in Kapernsoße, inklusive Beilage aus Rote Beete mit Schnittlauch-Schmand und Petersilienkartoffeln nur rund elf Euro. Und dabei ist die Stadtrundfahrt gleich mit dabei. 200 Meter über Berlin dreht sich das Restaurant in einer halben Stunde zur Gänze um die eigene Achse.

Naturerleben bietet auch ein Restaurant mit dramatischer Vergangenheit: die "Hoppetosse", ein Salonschiff aus dem Jahr 1934. Im Zweiten Weltkrieg zunächst als Lazarettschiff genutzt, im Kriegsverlauf zerstört, ging es schließlich auf Grund. Dann wurde es geborgen, wieder seetauglich gemacht und dient heute als Party- und Veranstaltungsschiff. Wer von Indie, Latin House, Reggae und Ragga durchschwitzt ist, springt einfach ins kühle Nass des schwimmenden Badeschiffs.

Ob Prater oder Südsee, schwimmende Blockhütte oder Penthouse, solange das Wetter hält, brauchen der Berliner und sein Gast kein Dach überm Kopf.