Entschärfte Dienstleistungsrichtlinie bringt weniger Jobs. | Für Österreich gar keine spürbaren Auswirkungen. | Die Dienstleistungsrichtlinie hat etwas Paradoxes. Sie soll nämlich etwas ermöglichen, was es eigentlich schon gibt: den freien Dienstleistungsverkehr.
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Dieser ist zwar bereits im Artikel 49 des EG-Vertrages festgeschrieben, in der Praxis stellt sich die Freiheit allerdings so dar: Bestimmte Staaten verlangen von potentiellen ausländischen Dienstleistungsanbietern die Mitgliedschaft in nationalen Berufsverbänden, andere verlangen einen Geschäftssitz im Inland, wieder andere schreiben vor, dass man spezielle Arbeitsgeräte verwenden muss, und so mancher Staat lässt Ausländer Dienstleistungen nur dann anbieten, wenn sie ihre Einreise im Rahmen einer Frist im Voraus anmelden.
Klagen möglich
Selbstverständlich könnte man gegen all diese Beschränkungen vor dem EuGH klagen. Allerdings: für Kleinbetriebe ist das die Kosten und die Mühe nicht wert; große Konzerne können die Hürden hingegen leicht umgehen, indem sie ortsansässige Tochterunternehmen gründen. Die Dienstleistungsrichtlinie hätte einen einfachen, einheitlichen Rechtsrahmen schaffen sollen, hätte so auch in der Praxis den gemeinsamen Markt für Dienstleistungen ermöglicht (den es ja bei Gütern bereits gibt, ohne dass jemand auf die Idee käme, dass dadurch Sozialstandards unterlaufen werden) und sie hätte dadurch zusätzliches Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze generiert.
Das wird nun kaum passieren, meint der Ökonom Fritz Breuss. Er hat in einer Studie errechnet, dass die Richtlinie mit dem ursprünglichen Herkunftslandprinzip 400.000 bis 800.000 Arbeitsplätze in der EU geschaffen hätte 7000 bis 14.000 davon in Österreich.
Weniger Beschäftigung
In der entschärften Version werden die Beschäftigungseffekte um ein Drittel geringer ausfallen, schätzt Breuss. Für Österreich bleiben dadurch rund 5000 bis 9000 neue Jobs allerdings mittelfristig, verteilt auf mehrere Jahre. "Österreich wird also in der Praxis so gut wie gar nichts spüren", meint Breuss. Für Österreich hätte man sich die Mühe der Richtlinie also gar nicht machen brauchen. "Jetzt bleiben wahrscheinlich ein paar Berater und Therapeuten übrig, die ihre Dienste grenzüberschreitend anbieten dürfen", so der Wirtschaftsforscher. Es ist allerdings klar, warum ein Kompromiss über eine europäische Dienstleistungsrichtlinie derzeit so aussehen muss, wie er aussieht. Es gibt nämlich keine europäische Position im Wirtschaftsbereich, sondern nur einander widersprechende Positionen.
Eine Richtlinie, die diese Gegensätze verbinden will, muss deshalb fast zwangsläufig folgenden Inhalt haben: Wir in Europa sind für den freien Dienstleistungsverkehr allerdings nur dann, wenn nicht jeder alles frei anbieten kann.