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Nicht die Immobilien, nicht die Preise, nicht die Inflation sind schuld

Von Christine Zeiner

Wirtschaft

"Sündenbock" China: Die boomende Wirtschaft der Volksrepublik wird mitverantwortlich für die hohen Rohstoffpreise gemacht. Staats- und Regierungschef Hu Jintao will dem Boom Einhalt gebieten, das Wachstum soll von 9,7% im ersten Quartal 2004 auf 7% im laufenden Jahr gedrosselt werden. "Warum ist die Regierung der Meinung, dass sie das tun muss?", fragte sich China-Expertin Susanne Weigelin-Schwiedrzik und liefert im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" eine Erklärung.


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Die Nachfrage hält dem Angebot nicht Stand. Büros stehen leer, Wohnungen werden nicht genutzt, die Preise sind hoch und Immobilien sind gern Spekulationsobjekt. "Ja, die Immobilienblase ist etwas beunruhigend", meint Weigelin-Schwiedrzik vom Institut für Ostasienwissenschaften/Sinologie der Uni Wien. Die Preise seien aber wieder im Sinken begriffen und: "Niemand sagt: Investieren Sie wo anders", meint sie. Die Nachfrage nach Autos etwa sei extrem hoch - und ungedeckt. Pro Tag werden 1.000 neue Autos in Peking zugelassen, 17 Radialstraßen werden gebaut, um das Verkehrsproblem in den Griff zu bekommen. Anzeichen inflationärer Tendenzen gebe es nicht - die Inflationsrate betrug im April 3,8%, der Druck für eine Zinsanhebung ist nach Auffassung der Statistikbehörde gemindert.

Die viel zitierte "Überhitzung" gibt es auch im Konsumbereich nicht. "Die Preise für Industrieprodukte sind gesunken. Die Lager sind voll, die Menschen sparen. Weil das Sozial-Versicherungssystem nicht funktioniert, hortet die Bevölkerung für den Krankheitsfall und das Alter."

Einzig die Lebensmittel sind teurer geworden - auf Anordnung der Regierung Anfang Februar, um der Landflucht gegen zu steuern.

Des Rätsels Lösung

Weigelin-Schwiedrzik sieht politische Gründe im wirtschaftlichen Handeln: Kriegsgefahr. Mitte Mai hat Hu Jintao gewarnt, China werde "jeden Preis zahlen", um Taiwan an der Unabhängigkeit zu hindern. Das internationale Image Chinas könnte leiden. Den weltweiten Ärger in Folge hoher Rohstoffpreise kann China nicht auch noch brauchen. Die Volksrepublik ist zweitgrößter Rohöl-Konsument. "Wenn der Premierminister 7% Wirtschaftswachstum für heuer verkündet, dann werden wie das Amen im Gebet 7% Wirtschaftswachstum in der Statistik ausgewiesen sein", sagt Weigelin-Schwiedrzik.

"Ob das de facto so ist oder nicht, ist eine andere Frage." Die Autorität der Regierung sei aber verhältnismäßig hoch, und die Bevölkerung lege mehr Wert auf Aussagen der Regierung, als dies etwa in Europa der Fall ist.

Chancen für Österreich

"Wir sind ein kleiner Player, aber vom österreichischen Blickwinkel erfolgreich", erklärt Kurt Müllauer, Handelsdelegierter in Peking. Heimische Größen wie VA-Tech Elin und Andritz haben längst Fuß gefasst - für Unternehmen, die das erst vor haben, empfiehlt Müllauer "einen langen Atem". Dabei, meint Fernost-Expertin Weigelin-Schwiedrzik, liege für Klein- und Mittelbetriebe großes Potenzial in China. Besondere Chancen sieht Handelsdelegierter Müllauer im Automobilzuliefer- und im Umweltsektor. Als Exportzielland rangierte China 2003 an 18. Stelle und war nach den USA der zweitwichtigste Überseemarkt. Müllauer meint: "Unser Ziel für 2004 ist ein Exportanteil von 1 Mrd. Euro und - vor Japan zu liegen."