Der Landesrechnungshof rät fünf Gemeinden in Oberösterreich zu Fusionen. Daraus wird wohl nichts werden.
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Grieskirchen. Das Trattnachtal im nördlichen Hausruckviertel in Oberösterreich ist Österreich im Kleinformat. Es gibt viele Gemeinden auf engem Raum, die meisten werden von der ÖVP regiert, einige wenige auch von der SPÖ. Es gibt eine Stadt, die nicht viel größer als ein Dorf ist, und eine der Gemeinden hat bereits mit Fremdwährungskrediten hantiert.
Es ist alles mehr oder weniger wie im Rest des Landes. Zu diesem Befund kommt auch der oberösterreichische Landesrechnungshof, der fünf Gemeinden aus dem Trattnachtal für seine erste Initiativ-Gemeindeprüfung ausgewählt hat. Der Bericht fällt für die Gemeinden Grieskirchen, Schlüßlberg, St. Georgen, Pollham und Tollet nicht schlecht aus, er entdeckt aber auch etwas zutiefst Österreichisches: Reformbedarf.
Die Gemeinden im Trattnachtal kooperieren in vielen Bereichen durchaus vorbildlich. So gibt es den Reinhaltungsverband Trattnachtal, einen Wasserverband, einen Zusammenschluss für Betriebsansiedlungen, und auch in der Kinderbetreuung kooperieren drei Gemeinden. Doch es wäre mehr möglich, findet der Landesrechnungshof.
Ein einheitlicher Siedlungsraum
De facto handelt es sich bei den fünf Gemeinden mit knapp 11.000 Einwohnern um einen "einheitlichen Siedlungsraum" mit "enger gesellschaftlicher Vernetzung", wie es im Bericht heißt. Weiterführende Kooperationen lägen daher auf der Hand, etwa im Bereich der Raumordnung oder der Bauabteilungen. Das Reizwort Fusion kommt im gesamten Bericht nur einmal vor, Landesrechnungshof-Direktor Friedrich Pammer legte den Gemeinden bei der Präsentation aber nahe, in diese Richtung nachzudenken.
Doch bereits aus der Vertiefung von Kooperationen dürfte nichts werden. Maria Pachner, Bürgermeisterin von Grieskirchen, der einzigen Stadt und größten der geprüften Gemeinden, kann sich zwar eine gemeindeübergreifende Raumordnung und eine gemeinsame Bauabteilung vorstellen. ÖVP-Parteikollege Karl Furthmair aus St. Georgen hat aber bereits Vorbehalte. Bei größeren Projekten kann er sich zwar eine Kooperation vorstellen. "Als kleine Gemeinde haben wir bei kleineren Bauvorhaben aber den Vorteil, besonders bürgernah zu sein", sagt er.
Otto Weinberger, SPÖ-Bürgermeister von Schlüßlberg, sagt: "Man kann immer über Kooperationen reden, aber auf alle Fälle nicht im Baubereich. Dort erledigen wir mit der Hälfte an Beamten doppelt so viele Akten wie andere Gemeinden." Weinberger hält generell nicht viel von den Empfehlungen des Landesrechnungshofs. "Wenn er sonst nichts mehr findet, schreibt er halt, dass wir stärker kooperieren sollen."
Über eine Fusion will der Politiker nicht einmal nachdenken, dazu kommt von Weinberger ein klares Nein. Auch sein Kollege aus St. Georgen sieht diese Idee sehr skeptisch. Furthmair macht sich Sorgen über die Auswirkungen auf das Ehrenamt. "Wenn man da mit Gewalt eingreift, zerstört man mitunter sehr viel mehr, als man gewinnt", sagt er.
Pachner will als Bürgermeisterin der Bezirkshauptstadt Grieskirchen in Sachen Fusion nicht aus der Rolle des Stärkeren agieren. "Der Rechnungshof hat dezidiert gesagt, wenn die Initiative nicht von Grieskirchen ausgeht, wird das nichts." Und das wird nicht passieren. "Ich werde mich hüten, etwas in diese Richtung zu sagen. Das ist eine emotionale Geschichte", sagt Pachner. Auch sie hat Bedenken, dass das Ehrenamt unter einer Fusion leiden könnte.
Diese Bedenken sind allerdings unbegründet. "Wenn drei Gemeinden fusionieren, fusionieren ja nur die Gemeinden und nicht die Vereine", erklärt Peter Biwald vom Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ). Aber auch davon würden sich die Fusionsskeptiker im Trattnachtal wohl kaum umstimmen lassen. Doch sind Gemeindefusionen überhaupt sinnvoll oder haben die Fusionsskeptiker recht?
Die perfekte Gemeindegröße gibt es nicht
Biwald glaubt, dass man mit Fusionen "durchaus fünf Prozent der Verwaltungskosten einsparen kann". Nachsatz: "Wenn man einer Fusion skeptisch gegenübersteht, wird es allerdings schwierig." Somit wäre das Potenzial im Trattnachtal wohl niedriger anzusiedeln." Es ist nicht automatisch so, dass eine Fusion am besten ist", sagt Max Hiegelsberger, Oberösterreichs Gemeinde-Landesrat. Er sieht die optimale Gemeindegröße bei 2500 bis 5000 Einwohnern.
Das lässt sich objektiv nicht bestätigen, wie es zu diesem Thema überhaupt wenig verlässliche Zahlen gibt. In einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts und des KDZ aus dem Jahr 2010 heißt es, "es erscheint insgesamt kaum sinnvoll, eine optimale Gemeindegröße zu definieren". Die Studie sieht für Oberösterreich bei Kooperationen ein Sparpotenzial von fünf Prozent bei den Personalkosten.
Biwald plädiert für einen Mittelweg zwischen Kooperation und Fusion, der sogar schon in der Verfassung stünde. Er regt die Bildung von Gebietsgemeinden an, in denen Gemeinden einzelne Aufgaben an eine übergeordnete Gebietsgemeinde übertragen würden. "Diese Chance nützt man nicht", sagt Biwald. Ein entsprechender Antrag ist von den Neos im September im Nationalrat eingebracht worden, er wartet noch auf Behandlung.
Wobei es selbst im Trattnachtal Fürsprecher einer vollwertigen Fusion gibt. Der ehemalige Präsident der oberösterreichischen Industriellenvereinigung, Klaus Pöttinger, ist so einer. Der Grieskirchner Unternehmer sprach von einer Fusion der fünf Gemeinden, noch ehe sie der Rechnungshof zum Thema machte. Bürgermeisterin Pachner hält es durchaus für möglich, dass diese Stimmen im Vorfeld der Gemeinderatswahlen im Herbst 2015 wieder lauter werden. Dass sie die Wahl entscheiden können, kann sie sich wie ihre Bürgermeisterkollegen nicht vorstellen.
Wissen: Gemeindefusionen
Gemeindefusionen wurden aufgrund der Strukturreform der steirischen Landesregierung zum Thema. Mit dem Jahreswechsel gibt es in der Steiermark statt 542 nur noch 288 Gemeinden. Die Initiative wurde von heftigen Protesten begleitet. Eine erste Welle von Klagen gegen das Gesetz hat der Verfassungsgerichtshof vor drei Wochen zurückgewiesen.
"In Oberösterreich haben wir grundsätzlich einen anderen Zugang", sagt der zuständige Landesrat Max Hiegelsberger. Kooperationen werden gefördert, Fusionen unterstützt, allerdings nur bei Zustimmung der Gemeinden. Davon machten erst vier von 444 oberösterreichischen Gemeinden Gebrauch. In Aigen und Schlägl sowie in Rohrbach und Berg stimmte die Bevölkerung im Herbst für eine Fusion. Peuerbach und Bruck-Waasen wollen 2016 über eine Fusion abstimmen, eventuell macht dabei auch die Gemeinde Steegen mit. In Hagenberg stimmten die Bürger gegen eine Fusion mit Pregarten und Wartberg. In anderen Bundesländern stehen keine Gemeindefusionen an, Burgenland und Vorarlberg wollen auf verstärkte Gemeindekooperationen setzen.