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"Nicht Genügend" für Leseförderung

Von Martina Madner

Politik
Lesen scheint in Österreich zu sehr reines Freizeitvergnügen zu sein. An den Schulen kommt die Leseförderung laut Rechnungshofbericht zu kurz. Westend61/Wolfgang Weinhäupl
© Getty Images/Westend61

Weniger Schulstunden und viele Akteure sind dafür verantwortlich, dass Bildung in Österreich vererbbar bleibt.


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Der Rechnungshof stellt der Leseförderung an Volksschulen und Mittelschulen in einem aktuellen Bericht ein schlechtes Zeugnis aus. Der Befund ist eindeutig: Nationale und internationale Vergleichsstudien zeigen seit Jahren, dass viele Schülerinnen und Schüler hierzulande Schwächen beim Lesen haben. Besonders eklatant sind diese bei Kindern aus bildungsfernen Haushalten.

Die Kritik des Rechnungshofs an den politischen Maßnahmen zur Verbesserung der Leseleistung ist ebenso eindeutig. Es gab und gibt keine Strategie, wie Schulen die Lesekompetenzen der Kinder fördern sollen. Im Gegenteil: Es gebe zu viele Akteure. Viele Schulbibliotheken seien nach wie vor mit Büchern in alter Rechtschreibung bestückt. Und die Schulstunden, in denen Leseförderung stattfinden könnte, wurden nicht erweitert, sondern gekürzt.

Risikogruppe: Kinder aus bildungsfernen Haushalten

Unter jenen, die die Standardleistung im Lesen nicht erreichen, sind Burschen mit 62 Prozent überrepräsentiert. Auch Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund schneiden eindeutig schlechter ab als Kinder ohne Migrationshintergrund.

Eklatant sind allerdings auch die Unterschiede nach dem Bildungshintergrund der Eltern: Durchschnittlich haben neun Prozent der Eltern nur einen Pflichtschulabschluss. Unter jenen Schülerinnen und Schülern, die die Bildungsstandards in Deutsch nicht erreicht haben, sind es aber 20 Prozent. Bei den überdurchschnittlich guten Schülern sind es dagegen nur ein Prozent.

Beim Nachwuchs von Eltern mit einem Uni-Abschluss zeigt sich ein gänzlich anderes Bild: Obwohl sie im Durchschnitt 28 Prozent der Schülerinnen und Schüler ausmachen, erreichen nur 14 Prozent aus Akademikerhaushalten die Bildungsstandards nicht. Bei jenen, die sie übertroffen haben, sind es 57 Prozent.

Im Rechnungshofbericht heißt es deshalb: "Wie die verschiedenen Studien zeigten, wird Bildung in Österreich in einem hohen Ausmaß vererbt." Und: "Der Bildungshintergrund der Familie hat somit starken Einfluss auf den Schulerfolg und die Bildungslaufbahn der Kinder."

Sozialer Biasauch beim Schulübertritt

"Ich möchte, dass an der Schnittstelle von der Volksschule zur Sekundarstufe eins Leistungsgerechtigkeit und kein sozialer Bias herrscht", sagte Bildungsminister Heinz Faßmann kürzlich im Interview mit der "Wiener Zeitung". Der Minister hofft, dass durch die "individualisierte Kompetenzfeststellung" in der dritten Klasse Volksschule zu erreichen. Die im Regierungsprogramm festgeschriebene Maßnahme soll eine "breite Grundlage für eine Entscheidung durch diese einigermaßen objektiven Ergebnisse" liefern. Derzeit üben Eltern mehr oder weniger Druck auf Schule und Nachwuchs aus, damit ihre Kinder in die AHS und nicht die Mittelschule wechseln.

Fördermaßnahmen, um solche sozioökonomischen Unterschiede beim Bildungserfolg auszugleichen, sind im Regierungsprogramm nach dieser individualisierten Kompetenzfeststellung allerdings nicht erwähnt. Sie sind laut Bildungsminister aber erwünscht. Auch mehr Mittel für Schulen aufgrund "eines zu entwickelnden Chancen- und Entwicklungsindex" könnten Unterschiede im Herkunftshaushalt ausgleichen. Das ist laut Türkis-Grün vorerst erst an 100 ausgewählten Pilotprojekt-Schulen in ganz Österreich vorgesehen.

Weniger statt mehr Schulstunden

Zurück zum Rechnungshof-Bericht: Mit einer sogenannten Wochenstundenentlastungsbereinigungsverordnung kürzte die damalige schwarz-blaue Regierung 2003 die Schulstunden in den Lehrplänen. In den ersten vier Klassen Volksschule waren damit ab dem Schuljahr 2003/04 insgesamt 90 statt davor 92 Wochenstunden vorgesehen. In den vier Jahren der damaligen Hauptschulen, den heutigen Mittelschulen, kürzte die Regierung um sieben, jenen der AHS-Unterstufe um sechs auf 120 Wochenstunden.

Das Ministerium sagte zwar in seiner Replik auf den Bericht, dass Stundenkürzungen zulasten von Turnen oder Nebenfächern gegangen wären. Weil aber die Anzahl der Turnstunden vor und nach der Verordnung bei zehn in der Volksschule lag, blieb der Rechnungshof bei seiner Empfehlung. Man müsse die Auswirkungen der "Stundenkürzungen auf die Grundkompetenzen der Schülerinnen und Schüler evaluieren", Kompetenzen bündeln und klare Kompetenzen der Akteure festlegen.