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Nicht grün genug

Von Matthias Nagl

Politik

Die EU-Kommission kritisiert Tirol ausgerechnet in ureigenen Bereichen der grünen Regierungspartei.


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Innsbruck. Auf den ersten Blick haben die beiden Themen nichts miteinander zu tun. Angesichts der Entwicklung des sektoralen Fahrverbots auf der Inntalautobahn und der Ausweisung neuer Natura-2000-Gebiete in Österreich liegt aber der Schluss nahe, dass die EU-Kommission derzeit nicht sehr gut auf das Land Tirol zu sprechen ist.

Das bestätigt auch die zuständige Politikerin, Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe von den Grünen. "Der Wind, der von der EU-Kommission nach Österreich weht, wird rauer", sagt Felipe. Sie sieht nicht Tirol alleine sondern ganz Österreich unter verstärktem Druck der EU-Kommission. Felipe glaubt auch den Grund zu kennen: "Ich vermute, dass es mit Österreichs Abschottungspolitik der letzten Monate zu tun hat." Die Grün-Politikerin spielt damit auf das durch Österreich betriebene Schließen der Balkanroute für Flüchtlinge an.

Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich läuft

Dabei hat die EU-Kommission jedoch auch fachlich gute Argumente auf ihrer Seite. Fakt ist jedenfalls, dass im Fall der Natura-2000-Gebiete ganz Österreich und nicht bloß Tirol einen Rüffel kassiert hat. Schon seit 2013 läuft ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Österreich, da die Bundesländer zu wenige Natura-2000-Schutzgebiete ausgewiesen haben.

Im Zuge dieses Verfahrens ist Österreich mit der EU-Kommission in Kontakt, um zu klären, ob die zuletzt ausgewiesenen Schutzgebiete den geforderten Bedarf erfüllen. Dafür war für Anfang April ein biogeographisches Seminar in Wien mit Vertretern der EU-Kommission geplant. Das hat die Kommission vergangene Woche abgesagt. Warum sie das tat, ist noch immer nicht ganz klar. Der Umweltdachverband, der in der Causa seit Jahren Druck macht, spricht von unzureichenden Nominierungen und mangelnder Datenqualität vonseiten der Länder. Das möchte Felipe nicht bestätigen, die Datenlage sei laut Kommissionsschreiben "unklar". "Allerdings kann man schon interpretieren, dass die Kommission unzufrieden ist", fügt sie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" hinzu.

Details dazu erwartet sie erst im offiziellen Schreiben der Kommission, das in den nächsten Tagen eintreffen soll. Dass es aus Sicht der EU-Behörden auch in Tirol größere Probleme mit der Natura-2000-Ausweisung gibt, wie medial kolportiert, will Felipe nicht bestätigen. Dafür gelte es die offizielle Stellungnahme abzuwarten. Ausschließen kann sie es freilich auch nicht.

Schließlich ist Tirol bei der Nominierung auch Kompromisse eingegangen. Ein mögliches Schutzgebiet am Piz Val Gronda wurde nicht ausgewiesen, da die Grundeigentümer vehement dagegen gewesen seien. "Ein Mindestmaß an Akzeptanz macht für ein Natura-2000-Gebiet Sinn", erklärt Felipe. Der Piz Val Gronda zeigt den Tiroler Grünen nun in mehrerlei Hinsicht ihre Grenzen auf.

Naturschutz trifft Gender-Thema

Vor der Landtagswahl 2013 hatten sie sich massiv gegen die Erschließung des Berges mit einer Seilbahn ausgesprochen. Mittlerweile ist der Berg per Seilbahn für Skifahrer erschlossen, und auch mit einem Natura-2000-Gebiet scheiterten die Grünen. Nun müssen sie sich vonseiten der EU-Kommission vielleicht bald in Sachen Naturschutz belehren lassen.

Der These, dass sich grüne Politikerinnen in einem strukturkonservativen Bundesland wie Tirol bei der Durchsetzung von Vorhaben möglicherweise schwerer tun als männliche ÖVP-Politiker, kann Felipe etwas abgewinnen. "Dieses Gender-Thema beobachte ich auch regelmäßig. Es gibt dort scheinbar einen direkteren Kommunikationsweg", sagt Felipe.

Ähnlich gelagert ist die Sache beim sektoralen Fahrverbot, auch wenn Felipe dabei nicht auf Grundeigentümer aus dem ÖVP-Dunstkreis oder schwarze Bürgermeister trifft. Aber auch in diesem Bereich liest sich die Stellungnahme der EU-Kommission wie ein Lehrschreiben in Sachen Luftschutz für die Grünen.

Tirol versucht bereits seit Jahren, ein teilweises Lkw-Fahrverbot auf der Inntalautobahn zu erwirken. Zweimal hat die EU-Kommission ein von früheren Tiroler Regierungen verhängtes Fahrverbot bereits gekippt, nun startet die schwarz-grüne Landesregierung einen neuerlichen Versuch. Einige Forderungen der Kommission wurden dafür eingearbeitet.

Unerwünschtes Tempo 80auf der Inntalautobahn

Das scheint aber nicht zu reichen. Die EU-Kommission sieht nach wie vor "das Risiko einer unverhältnismäßigen Beschränkung" der Freizügigkeit. "Vor allem, da mögliche Optionen zur Reduktion der Luftverschmutzung ohne Einschränkung der Freizügigkeit zur Verfügung stehen", sagt Kommissionssprecher Jakub Adamowicz. So hat Tirol etwa Tempo 100 auf der Inntalautobahn für Pkw eingeführt, die Kommission findet, auch Tempo 80 wäre möglich.

Damit rennt sie aber nicht einmal bei den Tiroler Grünen offene Türen ein. "Die großen Verkehrsträger wie Autobahnen sind dazu da, um den Verkehr aufzunehmen. Wir sind der Meinung, dass man mit einer Geschwindigkeitsreduktion nicht den gleichen Effekt wie mit einer Verlagerung des Lkw-Verkehrs auf die Schiene erreichen kann", erklärt Felipe. Zumal es bei der Verlagerung der Lkw auf die Schiene in der Inntalfurche noch freie Kapazitäten gäbe, so Felipe.

Dass sie nun in Sachen Naturschutzgebiete und Luftgüte, zwei der ureigensten Bereiche der Grünen, vonseiten der EU-Kommission Belehrungen bekommt, ist für die Grün-Politikerin kein Problem. "Es ist eine Motivation, mehr zu tun", sagt Felipe.