"Niemand kann mit dieser Entwicklung Freude haben", sind sich Steuerberater und Finanzbeamte einig wie selten. Der seit dem Vorjahr eingerichtete Unabhängige Finanzsenat (UFS), der in Form eines Tribunals die oberste steuerliche Berufungsinstanz bildet, hat sich in den zwei Jahren seines Bestehens offensichtlich emanzipiert und betreibt eine Rechtsprechung, die bei Steuerzahlern und bei der Verwaltung mitunter Unsicherheit auslöst.
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In jüngster Zeit sind aus diesen Senaten, die vornehmlich aus früheren Finanzbeamten zusammengesetzt sind, Entscheidungen bekannt geworden, die sich deutlich von der bestehenden Steuerpraxis abheben und damit der vom Finanzministerium angestrebten einheitlichen Rechtsauslegung und Rechtssicherheit zuwiderlaufen: mal zu Gunsten, meistens zu Ungunsten der Steuerzahler.
Gegenstrategie der Finanz
Die Finanzverwaltung versucht gegenzusteuern und weist ihre Beamten an, im Steuerverfahren jene Rechtsauffassung des Ministeriums als maßgeblich zu beachten, wie sie in den zahlreichen Richtlinien, Erlässen und Protokollen veröffentlicht ist.
Zwei der überraschendsten UFS-Entscheidungen (aus Wien) betrafen jüngst die Anerkennung von Werbungskosten, wenn ein Steuerzahler aus seinem Dienstverhältnis sowohl lohnsteuerpflichtige als auch lohnsteuerfreie Bezüge (z.B. steuerfreie Mehrarbeitszuschläge) verdient. Diesfalls seien nach UFS-Meinung die Werbungskosten nur mit dem aliquot auf die steuerpflichtigen Bezugsteile entfallenden Anteil anzuerkennen. Eine völlig neue, von der langjährigen Werbungskosten-Anerkennung abweichende Einzelmeinung.
Jausenbrot statt Taggeld?
In einem anderen UFS-Judikat sieht ein Salzburger Senat in den Kinderbetreuungskosten einer berufstätigen Alleinerzieherin plötzlich keine außergewöhnliche Belastung mehr und verweigert die Absetzbarkeit solcher Ausgaben - im Gegensatz zur ständigen Verwaltungspraxis.
Bei nur eintägigen Dienstreisen will ein Wiener Senat dem Dienstnehmer kein steuerfreies Taggeld zuerkennen, und dies, obgleich die (im übertragenen Sinn anzuwendende) Reisegebührenvorschrift sogar stundenweise Taggelder vorsieht. Begründung sinngemäß: der Dienstnehmer könne sich diesfalls ein Jausenbrot mitnehmen, so dass kein Verpflegungsmehraufwand entsteht.
In all diesen Fällen will die Finanzverwaltung ihre bisherige Rechtspraxis jedoch unverändert beibehalten und die UFS-Aussprüche unberücksichtigt lassen.
Aktion Luxusgrenze
Eines der jüngsten Top-Themen aus der UFS-Spruchpraxis (Salzburg) betraf die Valorisierung der sogenannten Luxustangente für betriebliche PKW und Kombi. (Die "Wiener Zeitung" hat darüber ausführlich berichtet). Die Finanzrichter hielten die bestehenden Luxusgrenze von 34.000 Euro (diesmal wohl zurecht) als längst valorisierfällig und gestanden schon für 1999 ein erhöhtes Limit von rund 38.000 Euro zu. Dem konnte das Ministerium nur eine schwache Erwiderung entgegensetzen - und die Anweisung an das Salzburger Finanzamt, gegen die aufmüpfige UFS-Entscheidung eine Amtsbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen (soll bis Jahresende entschieden werden).
Im Gegenangriff veranlasste das Ministerium inzwischen eine Verordnung, in der der alte Wert jedenfalls noch für 2004 festgeschrieben bleibt, während für 2005 ein solcher von 40.000 Euro zugelassen wird.
Eine andere - politisch brisante - Entscheidung (aus Linz) trafen die Finanzrichter bei der Beurteilung einer satzungsgemäßen Zuwendung (hier durch eine Kapitalgesellschaft) und befanden sie als schenkungssteuerpflichtig. Eine Meinung, die vom Ministerium im Falle des Economy-Vereins des Finanzministers bekanntlich ganz anders gesehen wurde.
Hilfe vom Ministerium
Es liegt in der Natur von Judikaten, dass sie im für den Beschwerdeführer günstigen Fall gelobt, andernfalls kritisiert werden, mit unter auch sehr heftig. Andererseits kann nicht bestritten werden, dass die veröffentlichten Richtlinien der obersten Finanzbehörde den Steuerpflichtigen ebenso wie den in den Ämtern tätigen Beamten eine wichtige Orientierungshilfe und damit eine gewisse Rechtssicherheit bieten. Bei Nicht-Zustimmung kann der Bürger letztlich bis zu den Höchstgerichten vorstoßen, für die diese Richtlinien ja keinen normativen Charakter haben.
Bleibt die Frage, wie ein Steuerzahler vorgehen soll, wenn er sich zwar auf die ministeriellen Richtlinien verlässt, aber vom Finanzamt von diesen Richtlinien abweichend behandelt wird. Würde er sich diesfalls an den UFS wenden, könnte sich sein Steuerverfahren womöglich noch verschlimmern.
Im Ministerium empfiehlt man, wenn sich ein Finanzamt zu Ungunsten des Steuerzahlers nicht an die in den Steuerrichtlinien oder in anderen Erlässen dargestellte Meinung hält, direkt beim Ministerium einen Antrag auf Aufhebung des unstimmigen Bescheides zu richten: das Ministerium würde diesfalls die Unterbehörde anweisen, richtlinienkonform vorzugehen, heißt es.