Ruf nach weniger Plastik und mehr Nachhaltigkeit bringt die Verpackungsbranche unter Druck.
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Wien. Ärgern Sie sich nach einem Einkauf im Supermarkt regelmäßig über zu viel Plastikmüll? Wenn ja, wird Sie folgende Nachricht freuen: Als weltweit erster Nudelfabrikant verpackt die burgenländische Firma Wolf ihre Teigwaren nicht mehr in Kunststoff, sondern in Papier. Entwickelt hat Wolf das umweltfreundliche Spezialpapier gemeinsam mit dem Verpackungsmaschinenhersteller Bosch und dem schwedischen Papierproduzenten BillerudKorsnäs. Eine Innovation, die dem Güssinger Teigwarenhersteller vor kurzem sogar den Staatspreis für "Smart Packaging" 2018 bescherte. Nur ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie sehr die Verpackungsindustrie einerseits unter Druck und andererseits auf dem Weg in eine "grünere" Zukunft ist.
Kampf den Müllbergen
Tatsächlich arbeitet die heimische Verpackungsbranche mit Hochdruck an nachhaltigen Alternativen zu Plastik & Co. Befeuert wird der Erfindergeist von den Plänen der EU, die ab 2030 nur noch recycelbare Kunststoffverpackungen zulassen will, aber auch von der Ankündigung der Bundesregierung, ab 2020 Plastiksackerl gänzlich zu verbieten.
Der Grund für das Plastik-Bashing: 95 Prozent aller Verpackungen landen nach einmaliger Verwendung im Müll. Wobei laut der EU-Statistikbehörde Eurostat auf jeden Österreicher 152 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf und Jahr kommen. Zum Vergleich: Europameister in Sachen Verpackungsmüll ist derzeit Deutschland mit 222 Kilogramm.
"Die österreichische Verpackungsbranche hat die Zeichen der Zeit erkannt", ist Manfred Tacker, Leiter des Fachbereiches Verpackungs- und Ressourcenmanagement der FH Campus Wien, überzeugt: "Sie weiß, dass Nachhaltigkeit das Zukunftsthema ist." Mit der "Potenzialstudie Verpackungswirtschaft" haben Tacker und seine Co-Autoren Herwig Schneider vom Industriewissenschaftlichen Institut (IWI) und Michael Auer vom Österreichischen Institut für Verpackungswesen kürzlich einen Überblick über die wirtschaftlichen Leistungen und die wesentlichsten Herausforderungen der Branche vorgelegt.
"Um die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu erhalten und künftig zu steigern, Arbeitsplätze zu schaffen und das wirtschaftliche Wachstum zu unterstützen, sind neue und bahnbrechende Technologien unumgänglich", macht die Studie klar, wohin die Reise geht. "Ziel der Entwicklungen sind eine ressourceneffiziente Herstellung von Verpackungen, die Verringerung von Produktverlusten vor allem im Lebensmittelbereich und der rasche Markteintritt neuer Verpackungslösungen."
Großes Potenzial
Laut Studie gehören zur heimischen Verpackungsbranche derzeit 121 Firmen mit 14.361 Beschäftigten, darunter bekannte Namen wie ARA, Borealis, Lenzing, Stölzle-Oberglas und Vetropack. 2016 erreichten diese Firmen einen Produktionswert von rund 3,82 Milliarden Euro - und damit mehr als sechs Prozent der gesamten österreichischen Sachgüterproduktion.
Dazu kommen noch 51 Firmen, die sich mit der Herstellung von Kunststoffverarbeitungsmaschinen und Kunststoff-Recyclinganlagen beschäftigen, darunter auch Weltmarktführer wie Engel Austria GmbH mit ihren Spritzgießmaschinen oder der Recyclingmaschinen-Hersteller Erema.
Bezieht man auch diese in die Rechnung mit ein, so generierte die heimische Verpackungsindustrie 2016 einen gesamtwirtschaftlichen Produktionswert von 11,34 Milliarden Euro. "Insgesamt werden in Österreich durch die heimische Verpackungsindustrie rund 39.400 Arbeitsplätze abgesichert", rechnen die Studienautoren vor.
Imageprobleme
Die Palette der verarbeiteten Materialien reicht dabei von Klebebändern über Verpackungsglas, Holz, Karton und Pappe bis zu Kunststoffverpackungen. Letztere sind nicht nur für die Umwelt, sondern auch für den Ruf der Verpackungswirtschaft eine zunehmende Belastung. "Die Branche muss sich ökologischen Herausforderungen wie Globalisierung, Klimawandel, Umweltbelastungen und Ressourcenknappheit stellen", betonen die Studienautoren. "Vor diesem Hintergrund erfährt die Verpackungswirtschaft aktuell einen hohen Innovationsdruck." Gleichzeitig müsse man aber auch am Image arbeiten.
Verpackung schützt
"Wenn man scheel angeschaut wird, bewerben sich nicht mehr die talentiertesten jungen Leute", warnt Tacker. Schon jetzt sei der Fachkräftemangel spürbar, schlägt auch der Branchen-Fachverband Propak Alarm, der heimische Papier- und Kartonverpackungsfirmen vertritt. 71 Prozent der Propak-Mitglieder können schon jetzt ihre offenen Stellen nicht mehr besetzen, wie Ökonom Herwig Schneider recherchiert hat. Fachkräftemangel herrscht demnach nicht nur bei Technikern, sondern auch bei Mitarbeitern im Vertrieb und im Management.
Angesichts der heftigen Debatten über die Notwendigkeit von Verpackungen warnen die Experten in ihrer Studie eindringlich davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten. "Der Umweltschutzgedanke stellt Recyclingfähigkeit und die generelle Minimierung von Verpackungen auch dort in den Vordergrund, wo der sinnvolle Einsatz von Verpackungen für Produkt- und Konsumentenschutz das Ziel sein sollte."
Zwar sei der reduzierte Einsatz von Verpackungen ein wichtiges Element der Nachhaltigkeitsstrategie, das unüberlegte Weglassen oder Verringern von Verpackungen bedeute aber auch weniger Produktschutz. Dies könne einen ungewollten Anstieg von Produktverlusten und Abfall bedeuten, so die Studienautoren. "Besonders wichtig ist dies im Zusammenhang mit Lebensmitteln, wo aktuell rund ein Drittel der weltweit produzierten Waren entlang der Lieferkette entweder verloren gehen oder weggeworfen werden."