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Nicht jeder mit kleiner Pension ist arm

Von Karl Ettinger

Politik
Soziale Staffelung bei der Pensionserhöhung: Armutsbekämpfung oder Umverteilung?
© Diana Parkhouse

Der Leiter der Alterssicherungskommission, Walter Pöltner, warnt die Regierung und die SPÖ vor einer neuerlichen sozialen Staffelung bei der Pensionserhöhung für 2022.


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Sollen niedrigere Pensionen im kommenden Jahr mit einer sozialen Staffelung wie schon in den Vorjahren stärker erhöht werden als höhere Pensionen? Daran scheiden sich jetzt die Geister zwischen Fachleuten und Politikern. Rein rechnerisch würde sich durch die gesetzlichen Vorgaben für 2022 eine Anhebung der Pension zur Abdeckung der Teuerungsrate von 1,7 Prozent ergeben. Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und auch der Chef des SPÖ-Pensionistenverbandes, Peter Kostelka, treten zur Armutsbekämpfung für eine sozial gestaffelte Erhöhung ein. Das löst beim Leiter der Alterssicherungskommission, Walter Pöltner, nur Kopfschütteln aus. Er erhebt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" vehement Einspruch: "Über eine soziale Staffelung macht man nicht Armutsbekämpfung, man macht Umverteilung."

Der Chef der Pensionskommission, der selbst in der Übergangsregierung kurzzeitig Sozialminister war, hat schon in der Vergangenheit kein Hehl daraus gemacht, dass er massive Bedenken gegen die Jahr für Jahr wiederkehrende soziale Staffelung der Pensionserhöhung hat. "Irgendwann muss man aufpassen. Es ist ein Versicherungssystem, nicht ein Sozialhilfesystem", betont Pöltner. Im Klartext: Jemand zahlt jahrelang in das Pensionssystem ein, um später eine Absicherung im Alter zu haben, bei einer reinen Sozialleistung ist hingegen die Höhe der Auszahlung unabhängig von den eingezahlten Pensionsversicherungsbeiträgen.

Deswegen rät der Leiter der Alterssicherungskommission der türkis-grünen Bundesregierung auch: "Wenn man etwas für die Armutsbekämpfung tun will, dann muss man sich Gedanken machen über das System der Ausgleichszulage." Mit dieser werden niedrige Pensionen - aus Budgetmitteln - bis zu einer bestimmten Höhe von derzeit 1.000 Euro im Monat ausgeglichen. Deswegen auch der Begriff Ausgleichszulage, die auch immer wieder als Mindestpension bezeichnet wird.

Auslöser der aktuellen Debatte ist der Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt für Arbeiter und Angestellte, Winfried Pinggera, der sich am Sonntag in der APA ebenfalls mit Hinweis auf das Versicherungsprinzip gegen eine neuerliche soziale Staffelung der Pensionserhöhung ausgesprochen hat. Noch ist der politische Kampf um die kommende Pensionserhebung nicht voll im Gang, weil erst am 18. August die offizielle Teuerungsrate und damit die Anhebung nach dem geltenden Gesetz mit 1,7 Prozent feststeht. Für jede Regelung, die davon abweicht, ist ein eigener Beschluss im Parlament notwendig.

Niedrige Pension oft Ergebnis kurzer Arbeit

Pöltner sagt ganz ungeschminkt: "Nicht jeder, der eine kleine Pension hat, ist arm." So gebe es Bezieher von sogenannten zwischenstaatlichen Pensionen, die nur kurz in Österreich gearbeitet haben, dadurch zwar einen Pensionsanspruch erworben haben, aber nur für eine niedrige Pension und in ihrem Heimatland eine reguläre Pension erhalten. Deren Zahl liegt bei mehr als 200.000. Auch Menschen, die in kleinerem Umfang teilzeitbeschäftigt waren, können dadurch einen Anspruch auf eine staatliche Altersversorgung erhalten.

Letztlich kann eine Staffelung sogar unsozial wirken: ein Alleinverdiener, etwa ein Voest-Beschäftigter, könne 45 Jahre lang brav gearbeitet und Pensionsbeiträge eingezahlt haben. Dieser kriege dann weniger Pension, wenn in seinem Fall die prozentuelle Erhöhung geringer ist und die Inflationsrate nicht mehr abgedeckt wird. Mit der Forderung nach einer gestaffelten Pensionserhöhung mache es sich die Politik zu einfach, meint der Leiter der Pensionskommission. "Das hat etwas von Populismus, weil es schön klingt. Das ist die Falle der schönen Wörter", sagt Pöltner. Wenn die Politik tatsächlich etwas gegen Armut im Alter unternehmen wolle, müsse sich diese sowohl die Mindestsicherung - jetzt Sozialhilfe -, die über die Bundesländer ausgezahlt wird, als auch die Ausgleichszulage, die vom Bund kommt, "ernsthaft" anschauen. Immerhin wird derzeit bereits rund eine Milliarde Euro für Ausgleichszulagen aus dem Sozialbudget für gut 200.000 Bezieher aufgewendet.

Kostelka: Kein Bruch mit Versicherungsprinzip

Bei der Pensionserhöhung für heuer wurden niedrige Pensionen bis 1.000 Euro um 3,5 Prozent erhöht, die Erhöhung gemäß Gesetz hätte 1,5 Prozent ausgemacht. Für Pensionen über 2.333 Euro brutto gab es einen Fixbetrag von 35 Euro. Im Gegensatz zu Pöltner und Pinggera hat sich Mückstein zur Armutsbekämpfung mittels Pensionserhöhung ausgesprochen.

SPÖ-Pensionistenchef Kostelka sieht hingegen keinen Widerspruch zum Versicherungsprinzip durch eine Staffelung, was Pöltner bestreitet. Die Vermeidung von Armut habe "hohe Priorität", stellte er in einer Aussendung fest. Gerade die kleinen Pensionen würden auch zu hundert Prozent in die Wirtschaft fließen, argumentierte er. Deshalb sei das Geld "doppelt gut eingesetzt".

Die Chefin des ÖVP-Seniorenbundes, Ingrid Korosec, will sichergestellt wissen, dass jedem Pensionisten die Teuerungsrate abgegolten wird: "Es muss für alle eine Inflationsabgeltung geben", fordert sie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Sie stellt sich daher ausdrücklich hinter das Versicherungsprinzip. Armutsbekämpfung müsse etwa bei den Arbeitsplätzen geben.