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Nicht jeder Schocker ist ein Opfer

Von Christoph Irrgeher

Analysen

Die Absage des Weihnachtskonzerts der Hinichen war Zensur. Aber gerechtfertigt.


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Glaubt man den "Hinichen", fuhr ein Blitz aus heiterem Himmel auf sie herab. Genauer gesagt auf das Weihnachtskonzert der Band. Der Termin am 8. Dezember im Gasometer wurde nämlich kurzfristig abgesagt. Und warum? Darüber haben die Wiener Musiker dann doch rasch eine Theorie entwickelt. Ein "diktatorisch anmutender" Akt stecke dahinter. Die Wiener Grünen hätten Anstoß an den derben Worten der Band genommen und deshalb gegen den "traditionellen" Termin interveniert - und dabei völlig den "Humor und die Selbstironie" der Band übersehen.

Dem ist in einem Punkt recht zu geben: Tatsächlich wurde das Konzert auf Betreiben des Grünen Kultursprechers Klaus Werner-Lobo gestoppt. Er begründete sein Vorgehen auch mit dem Umstand, dass der Veranstaltungsort von der Stadt Wien subventioniert wird.

So erstaunt, wie die "Hinichen" sich geben, konnten sie aber kaum sein. Beim gleichen Veranstalter platzte schon 2008 ein Termin, weil Frauenaktivisten protestierten. Eine Textprobe der "Hinichen" erklärt die Wut: "Wir mischen auf im Frauenhaus, wir peitschen die Emanzen aus (. . .). Die Fotzen, ja die g’hörn verdroschen, zuerst aufs Aug und dann in d’Goschn."

Nach ein paar Schrecksekunden könnten Leser nun fragen: Und wo steckt da "Selbstironie"? Eigentlich blitzt sie weder in diesem Song noch bei diversen anderen auf, als deren roter Faden Frauenverachtung und F-Wörter gelten können. Allen Ernstes vergleichen sich die "Hinichen" nun mit Pussy Riot. Jedoch: Wer einmal "Pussy" sagt, ist darum noch lang kein Politopfer.

Dass die IG Autorinnen Autoren die Konzertabsage als das, was sie ist - nämlich Zensur -, tadelt und Anstoß an dem Plan nimmt, Förderbedingungen präziser auszuformulieren, ist verständlich als Reflex einer um Freiheit ringenden Kunst. Wer sich auf eine Intellektualisierung des Eklats einlässt, erweist den "Hinichen" aber zu viel der Ehre. Es ist dies auch kein Anlass, sich in dieser Stadt um die demokratische Tugend Toleranz zu sorgen. Sie erweist sich schon an dem Umstand, dass solche gehässigen Vulgarismen ungestraft in Wien erklingen dürfen. Dass die Stadt auch noch dafür zahlen soll, wäre entschieden zu viel verlangt.