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"Nicht kuscheln, nicht streiten"

Von Katharina Schmidt

Politik

Faymann und Spindelegger betonen in ihrer ersten Pressekonferenz das Gemeinsame. | Regierungsklausur am 30. und 31. Mai. | Wien. Sebastian Kurz war nicht der Jüngste. Als das neue ÖVP-Regierungsteam um zehn Uhr am Donnerstagvormittag angelobt wurde, hat diese Rolle Eva, die gerade einmal drei Wochen alte Enkelin von Neo-Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, übernommen. Sie blieb trotz des gewaltigen Medienrummels im Leopoldinischen Trakt der Hofburg ungerührt.


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Bevor die neuen Minister und Staatssekretäre mit einer Unterschrift ihr Los für die kommenden zwei Jahre besiegeln durften, hielt Heinz Fischer eine kurze Ansprache. Darin nahm der Bundespräsident Bezug auf jene Rede, die den Regierungsumbau erst notwendig gemacht hatte: Josef Pröll hatte in seinen Abschiedsworten als Vizekanzler, Finanzminister und ÖVP-Chef vor etwas mehr als einer Woche den mangelnden Anstand und den Stillstand in der Politik bemängelt. Fischer sprach von einer "eindrucksvollen Rede". "Anstand ist tatsächlich ein Thema, das es verdient, berücksichtigt und gelebt zu werden", betonte das Staatsoberhaupt. Und: "Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, in der alles erlaubt ist." Was die von Pröll angesprochene fehlende Dynamik betrifft, so gab ihm Fischer nur teilweise Recht: In der Wirtschaftskrise habe die Regierung großartige Ergebnisse erzielt, allerdings gebe es auch Bereiche, in denen der Stillstand noch überwunden werden müsse.

Angelobung nach strenger Reihenfolge

Nach seiner Rede schritt Fischer zum offiziellen Akt und ließ ein ums andere Regierungsmitglied im Beisein von Kanzler Werner Faymann seine Urkunde unterschreiben. Dabei wird nach einer strengen Etikette, sortiert nach Funktion und Alter, vorgegangen: Michael Spindelegger als künftiger Vizekanzler durfte als Erster unterzeichnen, danach folgte Neo-Finanzministerin Maria Fekter - sie ist am längsten in der Politik. Als Nächste verschrieb sich Beatrix Karl dem Justizministerium - immerhin ist sie bereits Regierungsmitglied. Dann besiegelte Johanna Mikl-Leitner ihre Funktion als Innenministerin mit ihrer Unterschrift, als Landesrätin hat sie Vorrang vor den älteren Männern.

Bei denen, die noch nicht in einer Regierung waren, wurde nach Alter vorgegangen: Zuerst durfte Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (61) unterschreiben, dann Wolfgang Waldner (56), Staatssekretär im Außenministerium, und schließlich das Koalitionsküken, der 24-jährige Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz.

Nach dem offiziellen Teil folgte eine kurze Plauderei in Fischers Arbeitszimmer, Faymann und Spindelegger - Letzterer mit seinen beiden kleinen Söhnen - verließen diese aber vorzeitig und eilten ins Bundeskanzleramt. Der restliche Tross wurde wenig später von der neuen mächtigen Frau in der Koalition, Maria Fekter, aus der Hofburg geleitet.

Fekter als gut gelaunte Alleinunterhalterin

Diese konnte ihre ausgesprochen gute Laune den ganzen Tag lang nicht verbergen. Sie hielt mitten auf dem roten Teppich an und erklärte den staunenden Regierungsmitgliedern, deren Verwandten und der Presse die Bedeutung der Mosaike im Stiegenhaus.

Während sich Fekter, Mikl und Kurz auf den Weg ins Innenministerium machten, gab es im Kanzleramt die erste gemeinsame Pressekonferenz von Kanzler und Vizekanzler.

Faymann bedankte sich zunächst bei den ausgeschiedenen Regierungsmitgliedern und betonte, dass man mit der Wirtschaftskrise gemeinsam eine sehr schwierige Zeit gut gemeistert habe. In der zweiten Halbzeit der Legislaturperiode gelte es nun, "Kurs zu halten für ein stabiles Österreich und das Tempo zu erhöhen". Vor allem in Fragen der Bildungspolitik und der Erneuerung der Strukturen sieht Faymann Handlungsbedarf.

Wehrpflicht bleibt ein heißes Eisen

Den neuen Vizekanzler hieß er "herzlich willkommen" in der Regierung. Und der Kanzler wurde nicht müde, das Gemeinsame zu betonten. Das Land sei nur stark, wenn man die gemeinsamen Kräfte mobilisiere, sagte Faymann.

Auch Spindelegger erklärte, man werde "nicht kuscheln, nicht streiten, sondern konstruktiv zusammenarbeiten". Das Ziel dürfe aber nicht sein, irgendeinen Kompromiss zustande zu bringen, sondern "den bestmöglichen". Angesprochen auf das heikle Thema Wehrpflicht reagierten beide allerdings eher verschnupft. Spindelegger meinte, die entsprechende Arbeitsgruppe habe erste Übereinstimmungen erzielt, nun werde weiterverhandelt. "Wenn wir keinen Kompromiss finden, dann werden wir uns etwas anderes überlegen müssen." Und Faymann meinte lapidar, die Option einer Volksbefragung bleibe bestehen.

Für den 30. und 31. Mai kündigten Kanzler und Vizekanzler eine Regierungsklausur - "Teambesprechung", wie Faymann es nannte - an. Die Vorbereitungsarbeiten dafür sollen Fekter und Staatssekretär Josef Ostermayer übernehmen, die Regierungskoordinatoren bleiben. Dann ging Spindelegger mit seiner Frau und seinen Söhnen, die während der Statements im Saal ausgeharrt hatten, ins Außenministerium.

Weniger harmonisch fielen die Reaktionen der Opposition aus: Mit neuen Köpfen alleine werde man noch keine neue Politik machen können, meinte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig befand, dass sich Spindelegger mit seiner Personalwahl auf einen rechtskonservativen Kurs begeben habe, und BZÖ-Obmann Josef Bucher erkennt "eine Regierung der Beamten und der Stillstandsverwahrer".