Häupl: Solange er gesund ist und die Menschen erreicht, will er Bürgermeister bleiben.
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Wien. Bürgermeister Michael Häupl war der einzige Spitzenkandidat für die Wien-Wahl, der sich nicht in unser TV-Radl setzen wollte. Er erzählte lieber in seinem Büro über seine Visionen für Wien, sollte er weiterhin Stadtchef bleiben.
"Wiener Zeitung":Herr Bürgermeister, bei jeder Wien-Wahl haben Sie gesagt, man muss Rot wählen, um Blau zu verhindern, aber genützt hat es nie viel. Warum sollte das am kommenden Sonntag funktionieren?Michael Häupl: Bisher hat es doch gut funktioniert: Ich bin immer noch Bürgermeister. Außerdem war es nie mein Wunsch, darüber zu reden. Ich wollte viel lieber darüber reden, welche Herausforderung es bedeutet, dass wir pro Jahr um mehr als 25.000 Wienerinnen und Wiener mehr werden. Aber leider kann man sich das nicht aussuchen, die Flüchtlinge sind da, aus Gründen, die wir nicht verschuldet haben. Aber ich fühle mich sehr wohl verantwortlich und zuständig für Kinder und Familien, die zu uns kommen und Schutz vor Mord und Terror suchen.
Aber Tatsache ist, dass die FPÖ während Ihrer Amtszeit immer stärker geworden ist.Hat da die Wiener SPÖ nicht etwas falsch gemacht?
Ja, da muss man bei uns auch etwas falsch gemacht haben. Wir haben nicht im hinlänglichen Ausmaß erklärt, warum das sogenannte Ausländerthema keine Bedrohung für die Wienerinnen und Wiener ist. Aber da bleibt die Schuld nicht alleine an der SPÖ picken, das sage ich auch ganz offen. Denn das ist schon auch eine Thematik, die wir in der Societa Politica alle miteinander nicht hingekriegt haben. Natürlich werden die Journalisten über das Thema Nummer 1 schreiben, und das ist das Flüchtlingsthema. Man kann mir aber nicht vorwerfen, dass ich mich nicht vehementest bemüht hätte, vor allem auch Zukunftsthemen für diese Stadt anzusprechen.
Auf das Zukunftsthema würde ich gerne später noch zu sprechen kommen. Aber was sagen Sie dazu, dass in der eigenen Partei Rot-Blau nicht mehr als das Schreckensgespenst gesehen wird, wie noch vor ein paar Jahren?
Das habe ich noch nirgendwo wahrnehmen können.
Und was ist mit dem Burgenland?
Das ist etwas anderes.
Aber auch in Wien hört man, dass es SPÖ-Funktionäre geben soll, die nichts gegen eine Zusammenarbeit mit der FPÖ hätte.
Ich kenne meine Wiener Partei. Das ist Propaganda von manchen FPÖ-Funktionären. Ja, es mag schon den einen oder anderen geben - und ich gendere das bewusst nicht -, der vielleicht meint, dass der Bürgermeister zu hart mit der FPÖ umgeht. Aber das sind ganz, ganz wenige. Glaubt’s mir das: Selbst wenn ich nicht mehr Parteivorsitzender der SPÖ Wien sein sollte, es wird sich kein anderer Parteiobmann finden, der für eine andere Linie eintreten würde. Und über das Burgenland habe ich mich hinlänglich geäußert.
Ist das nicht der Grund, warum sich Wiens SPÖ eigentlich von der Bundes-SPÖ abgrenzen müsste?
Ich distanziere mich überhaupt nicht, ich weiß mich hier völlig eins mit dem Bundesparteivorsitzenden. Und ich habe weder im Bundesparteipräsidium noch im Parteivorstand jemals irgendeine andere Meinung gehört.
Das heißt, Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl ist das schwarze Schaf in der SPÖ?
Aber nein, noch einmal: Wir werden das ausdiskutieren. Und ich bin zutiefst überzeugt davon, dass auch für Hans Niessl der Tag kommt, wo er sagen wird: Das war für das Burgenland doch keine so tolle Entscheidung.
Dieser Tag ist aber noch nicht gekommen.
Noch nicht, weil die burgenländische FPÖ macht ja auch momentan nichts. Denn das muss man auch den Herrn Strache fragen: Wie viele Flüchtlinge sind weniger über die burgenländisch-ungarische Grenze gekommen, seitdem es im Burgenland einen FPÖ-Landesrat gibt, der für die Sicherheit verantwortlich ist? Ich glaube, dass heute eine humane Flüchtlingspolitik im Burgenland gemacht wird - aber das ist den Sozialdemokraten zu verdanken und mit Sicherheit nicht den Freiheitlichen.
Jetzt zur Zukunft: Falls Sie noch einmal Bürgermeister werden sollten, was wären Ihre Schwerpunkte in der nächsten Legislaturperiode? Was wollen Sie noch umsetzen?
Zwei Themenfelder - erstens: Wien wächst und das ist eine riesige Challenge. Wir werden jedes Jahr um die Einwohnerzahl von Krems mehr. Wir werden in fünf bis sieben Jahren wieder eine Zwei-Millionen-Stadt sein. Wenn wir die derzeitige Qualitätsstruktur in der Stadt erhalten wollen, haben wir viel zu tun: Wir stellen schon jetzt jährlich 10.000 Wohnungen im Jahr fertig und müssen wohl noch mehr bauen. Wir brauchen einen Infrastrukturausbau - damit meine ich Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur. Und wir brauchen einen Innovationsschub, mit dem wir vor dem Hintergrund einer sozialen Ausgewogenheit alle mitnehmen wollen.
Und das zweite Themenfeld?
Das ist die Entwicklung hin zur wissensbasierten Ökonomie. Zentrale Themen der Zukunft sind hier Bildungs- und Ausbildungspolitik - also alles, was mit unseren jungen Leuten zu tun hat. Da ist die Schulreform ein Hauptthema. Das ist auch der Grund, warum ich die Einladung angenommen habe, bei der Reformkommission der Bundesregierung mitzumachen. Wir brauchen eine Universitätsoffensive, eine Offensive in den Fachhochschulen. Wir brauchen auch in der außeruniversitären Forschungseinrichtung die entsprechenden Offensiven. Wir brauchen Förderungen für die betriebliche Forschung. Und am Ende muss das alles in die völlig neue Übersetzung der Wirtschaft münden. Da rede ich über die Zukunft, über die Arbeitsplätze, über den Wohlstand unserer Kinder und Enkelkinder. Diese zwei Themenfelder sind das, was meine Vision für diese Stadt ist.
Hohe Verschuldung, hohe Arbeitslosenrate - derzeit sieht es in der Stadt aber nicht sehr rosig aus. Wie wollen Sie dorthin kommen?
Wir brauchen ein Wirtschaftswachstum, mit dem wir das Defizit von etwa 10.000 Arbeitsplätze pro Jahr aufholen können. Das heißt, wir brauchen steuerlich absetzbare private Investitionen, Förderungen für betriebliche Forschungsausgaben. Aber gleichzeitig muss man uns auch ermöglichen, dass wir Ausgaben tätigen können.
Von welchen Größenordnungen reden wir hier?
Aus dem Budget der Stadt werden jährlich rund 4,5 Milliarden Euro nachfragewirksam investiert. Wir könnten in den nächsten 10 Jahren 10 Milliarden Euro zusätzlich für die Bereiche Kindergarten, Schule, Krankenhäuser aufnehmen. Diese Kredite würden plus/minus 1 Prozent kosten, also eigentlich nichts. Selbst die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde - die ja wirklich nicht im Verdacht steht, eine Sozialistin zu sein - hat vorgeschlagen, dass wir uns aus dieser Krise auf Pump hinausfinanzieren sollen. Und dieser Auffassung bin ich auch. Denn unsere Schulden betragen derzeit nicht einmal ein Drittel unserer Jahreseinnahmen. Das sind 3,6 Prozent des Bruttoregionalprodukts. Österreich hat 80 Prozent Verschuldung vom BIP. Und ab 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum können wir den Arbeitsmarkt wieder in Ordnung bringen und die Schulden zurückzahlen.
Zurück zur Wahl am kommenden Sonntag. Ihre politischen Gegner sagen, dass Sie jetzt noch ein letztes Mal antreten werden, sich aber nach zwei Jahren zurückziehen wollen. Wen werden Sie eigentlich als Nachfolger aufbauen?
Wenn man 66 ist, kann man ohne Koketterie sagen: Solange ich gesund bin und ich das Gefühl habe, ich erreiche die Menschen, solange mache ich den Job als Wiener Bürgermeister. Momentan fühle ich mich gesundheitlich gesehen hervorragend und stark wie selten. Und beim Erreichen der Leute ist das wie beim Fußball: Wenn ein Trainer mit seinen Botschaften die Spieler nicht mehr erreicht, dann muss er aufhören. Das sind also zwei von mir nicht unmittelbar bestimmbare Faktoren - aber wenn beides passt, kann es noch lange weitergehen.