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Nicht noch ein Kommentator

Von Walter Hämmerle

Kommentare

Alexander Van der Bellen hat sich bisher erfolgreich der Versuchung zum folgenlosen Kommentieren verweigert.


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Die Zeugnisvergabe für den Herrn Bundespräsidenten fiel angesichts seiner hunderttägigen Amtsausübung durchaus zwiespältig aus. Zu viel Zurückhaltung, zu wenig Klartext, ganz generell zu viel Heinz Fischer, bemängelten vor allem diejenigen, die sich vom ersten Grünen in der Hofburg eine offensive Neuerfindung des Amtes erwartet hatten. Ansonsten wurde das kleine Jubiläum von Van der Bellens umstrittenem Kopftuch-Sager überlagert, den ihm auch sympathisierende Beobachter ankreideten und den ihr Bundespräsident - mürrisch, aber doch irgendwie - als Fehler eingestand, zumindest im kommunikativen Sinn.

Von diesem Fehltritt abgesehen ist er erfreulich, dass Van der Bellen der Versuchung zu widerstehen scheint, das höchste Amt im Staat als oberster Leitartikler umzuinterpretieren. Wenn dieses Land etwas zur Genüge hat, dann sind es am Spielfeldrand stehende Kommentatoren, die ihre Meinungen zu allem und jedem fröhlich kundtun. Mitunter ist das deren Job, manchmal bloß die Leidenschaft, und einige haben daraus sogar eine Berufung gemacht.

Das ist nicht die Aufgabe des Bundespräsidenten. Und zwar aus grundsätzlichen wie politischen Überlegungen heraus.

Zum Grundsätzlichen: Anders als sein deutscher Amtskollege müsste der Bundespräsident in Österreich starken Worten auch starke Taten folgen lassen. Das deutsche Grundgesetz hat für den Hausherrn im Berliner Schloss Bellevue nichts als nur die Macht des gesprochenen Wortes vorgesehen. Das heimische Bundes-Verfassungsgesetz in der Form von 1929 stattet das höchste Amt hingegen mit mächtigen Waffen für den Verfassungsnotstand aus. Oder anders gesagt: Wenn Van der Bellen rhetorisch auf den Tisch haut, muss er früher oder später auch Fakten setzen, etwa die Regierung entlassen, den Nationalrat auflösen, die Unterschrift unter Gesetzen oder Staatsverträgen verweigern und einiges mehr an Unfreundlichkeiten gegenüber der Regierung.

Aber soll ein Bundespräsident tatsächlich die Regierung entlassen, nur weil die veröffentlichte Meinung schon ganz kirre am ewigen Streit der Koalitionspartner ist? Das wäre ein Spiel mit dem Feuer.

Aber auch politisch gibt es gute Gründe (und auch einige dagegen, das sei nicht verschwiegen) für eine zurückhaltende Amtsführung. Die Politik in Österreich, jedenfalls auf Bundesebene, ist von einer starken Konkurrenz geprägt. Hier stehen einander längst nicht nur Regierungs- und Oppositionslager gegenüber, sondern auch innerhalb dieser beiden Gruppen wird erbittert mit- und gegeneinander gerungen. Für den durchschnittlich interessierten Bürger muss sich die Innenpolitik wie ein ewiger Kampf jeder gegen jeden anfühlen - und das noch dazu mit ständig wechselnden Allianzen quer durch die Parteienlandschaft.

In so einer Konstellation sollte zumindest eine Institution der Republik kühlen Kopf bewahren und sich nicht auch noch mit Leidenschaft die Spielchen der Tagespolitik mitspielen.

So betrachtet hat Van der Bellen bisher einen guten Job gemacht.