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"Nicht nur die Taliban, alle bewaffneten Gruppen profitieren vom Drogenhandel"

Von Veronika Eschbacher

Politik

Afghanischer Minister für Drogenbekämpfung im Interview.


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Wenn die internationalen Kampftruppen in wenigen Monaten Afghanistan verlassen, werden sie einen Feind ungeschlagen zurücklassen: ein florierendes Drogengeschäft, das noch Jahre nach dem Abzug die Welt beschäftigen wird. 2013 erlebte Afghanistan einen wahren Schlafmohn-Boom. Die Anbaufläche zur Gewinnung von Rohopium in Afghanistan ist auf ein Rekordausmaß gewachsen. Laut UN-Büro zur Bekämpfung von Drogen und Kriminalität (UNODC) hat die Fläche 2013 um 36 Prozent zugenommen - und umfasst nun 209.000 Hektar. Das ist der höchste Wert seit Beginn der UN-Erhebung 1994. Die Drogenproduktion ist um fast 50 Prozent angestiegen. Gleichzeitig steigen die Heroinabhängigkeitsraten in den USA, eine Sucht, die durch den Tod des Oscar-gekrönten Schauspielers Philip Seymour Hoffman zuletzt wieder ins Bewusstsein Öffentlichkeit gerückt ist. Noch viel stärker steigt aber die Abhängigkeit in benachbarten Ländern um Afghanistan - von Pakistan bis Russland. Viel Geld hat die Nato in den vergangenen Jahren ausgegeben, um genau dies zu verhindern. Aber auch die Zahl der vernichteten Anbaufläche hat 2013 um 24 Prozent auf 7348 Hektar abgenommen. Die "Wiener Zeitung" sprach mit dem kürzlich neu ernannten afghanischen Minister für Drogenbekämpfung, Mobarez Rashedi, über die Gründe.

"Wiener Zeitung": Die Drogenproduktion in Afghanistan ist im Vorjahr um fast die Hälfte gestiegen. Was sind die Gründe für diesen steilen Zuwachs?Mobarez Rashedi:Ein Grund dafür ist die Verschlechterung der Sicherheitslage in manchen Regionen des Landes. Zudem wurden Gelder, die für die Bauern vorgesehen waren (diesen werden etwa Bildungsangebote, Dünger und Samen für andere Pflanzen finanziert, wenn sie den Schlafmohnanbau aufgeben, Anm.), nicht richtig ausgegeben - sie haben nicht die armen Bauern erreicht, sondern wurden etwa für Luxusprojekte verwendet. Es gibt auch noch andere Ursachen, denen ich gerade versuche, auf den Grund zu gehen. Aber schon jetzt ist klar, dass wir einige Änderungen und Reformen vornehmen müssen. Wir brauchen stärkere Koordination zwischen den Ministerien und Agenturen, die für Drogenbekämpfung in Afghanistan zuständig sind. Wir brauchen effektivere Maßnahmen.

Mehr als ein Jahrzehnt lang gab es Programme, um den Opiumanbau hintanzuhalten. Diese haben aber, wie die letzten Zahlen zeigen, nicht funktioniert. Gibt es neue Ideen?

Ja. Wir müssen die alternativen Livelihood-Projekte (Projekte zur Sicherung der Lebensgrundlage und des Grundeinkommens, Anm.) verstärken, den Bauern helfen, neue Märkte zu erschließen, sie dabei unterstützen, alternative Pflanzen zu vermarkten und die dazu nötigen Zertifikate ausstellen. Wir brauchen für diese Livelihood-Programme auch mehr Geld. Der Bedarf in diesem Bereich ist so hoch, dass wir mit den momentan vorhandenen Geldern nicht auskommen. Und nicht zuletzt müssen wir auch sicherstellen, dass das Geld richtig ausgegeben wird. Die Hilfe muss wirksam sein, wir brauchen eine striktere Überwachung.

Laut dem jüngsten Bericht des amerikanischen Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction haben alleine die USA seit 2002 sieben Milliarden Dollar für Drogenbekämpfungsprogramme ausgegeben und weitere drei Milliarden für Agrar- und Stabilitätsprogramme, die in engem Zusammenhang stehen. Wie viel Geld wird noch benötigt?

Die sieben Milliarden Dollar sind eine wirklich signifikante Summe und wir sind sehr dankbar für die Unterstützung, die die Amerikaner über die letzten zwölf Jahre hier geleistet haben. Das Drogenproblem in Afghanistan ist jedoch von so einem Ausmaß, dass wir ihm mit den momentan zur Verfügung stehenden Mitteln nicht beikommen können.

Es wird also noch mehr Geld als bisher benötigt?

Genau.

Woher soll das Geld kommen, wenn bis heute die weitere Kooperation aufgrund der sich in den vergangenen Monaten verschlechterten afghanisch-amerikanischen Beziehungen auf so wackeligen Beinen steht?

Ich glaube, dass eine längerfristige Partnerschaft zwischen meinem Land und den USA (die noch ausstehende Unterzeichnung des bilateralen Sicherheitsabkommens, das einen Truppenverbleib über Ende 2014 ermöglicht, Anm.) es definitiv erleichtern würde, von unseren internationalen Partnern finanzielle Unterstützung für den Kampf gegen die Drogen zu bekommen. Ich war in Wien, um die internationale Gemeinschaft davon zu überzeugen, uns in diesem Kampf zu unterstützen. Drogen sind eine Bedrohung für die ganze Welt.

Haben Sie mehr Bodyguards, seit Sie das Drogen-Ministerium leiten?

Ja, aufgrund von einigen Herausforderungen in meinem Land sind für Minister spezielle Sicherheitsmaßnahmen nötig.

Ich frage nur, weil Sie ganz offenbar Feinde auf mehreren Seiten haben - Sie müssen gegen Drogenbosse und Warlords wie auch Regierungsbeamte kämpfen, die in den Drogenhandel involviert sind.

Es gibt keine gesicherten Nachweise darüber, dass Regierungsbeamte in den Drogenhandel involviert sind. Vielleicht haben ein paar Bezirksbeamte eine ungenügende Performance in der Drogenbekämpfung hingelegt, und das könnte man als Problem bezeichnen.

In offiziellen US- oder UN-Berichten wird aber klar konstatiert, dass Regierungsbeamte involviert sind. Verschließen Sie hier nicht die Augen vor einem existierenden Problem?

Ich habe dieses Ministerium übernommen mit der Absicht, das Rauschgift in unserem Land zu bekämpfen. Ich werde alle bekämpfen, die in den Drogenhandel involviert sind. Aber wie eben gesagt gibt es über das Bezirkslevel hinaus keine Anhaltspunkte, dass Regierungsbeamte involviert sind.

Die Angaben, die man findet, variieren massiv. Inwieweit sind die Taliban mit dem Drogengeschäft verbunden und wie stark profitieren sie davon?

Die Profite aus dem Rauschgiftgeschäft werden dazu verwendet, terroristische Aktivitäten zu finanzieren. Aber nicht nur die Taliban, sondern alle bewaffneten Oppositionsgruppen in unserem Land profitieren davon. Es gibt also eine klare Verbindung zwischen Drogen und Terrorismus. Wir müssen die Sicherheitssituation im Land verbessern, um den Drogenanbau effektiver bekämpfen zu können. Aber auch umgekehrt. Nicht zuletzt ist einer der Gründe für den Anbau, dass verschiedene bewaffnete Oppositionsgruppen Bauern in bestimmten Regionen Afghanistans dazu ermuntern, weil diese Gruppen vom Anbau profitieren. In anderen Gebieten, die unter der Kontrolle von bewaffneten Oppositionsgruppen sind, werden die Menschen gar dazu gezwungen. Ich will unseren Bemühungen neuen Schwung verleihen.

Mobarez Rashedi ist seit Dezember Minister für Drogenbekämpfung in Afghanistan. Zuvor war er Vize im Informationsministerium.