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Nicht nur eine Erfolgsgeschichte

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Politik

Die Schlacht gegen den IS wurde bisher großteils von Jubelmeldungen flankiert, doch die Rückeroberung ist schwierig.


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Bagdad. Glücklich sah Iraks Premierminister Haidar al-Abadi nicht aus, als er am Mittwochabend in Bagdad vor die Presse trat. Ja, der Ring um Mossul sei jetzt geschlossen worden. Und ja, der eigentliche Kampf um die ehemals zweitgrößte Stadt des Landes werde jetzt erst beginnen.

Doch die Zuversicht, die der Regierungschef noch vor gut einem Monat versprühte, als am 17. Oktober die Schlacht um Mossul begann, ist aus seinem Gesicht gewichen. Es läuft nicht so gut, wie der Premier es prophezeit hatte. Von seiner ursprünglichen Verheißung, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) werde noch vor Ende des Jahres im Irak besiegt sein, ist Abadi bereits abgewichen. Es werde länger dauern, als er gedacht habe, muss er nun zugeben.

Sein Eingeständnis steht im Widerspruch zu den Jubelmeldungen irakischer Medien, die in den letzten Wochen nicht müde wurden, Erfolgsmeldungen zu verbreiten. Fast täglich hörte und las man über zurückeroberte Dörfer rund um Mossul, über unzählige getötete IS-Kämpfer, gar über irakische Flaggen, die mitten in der Stadt gehisst worden sein sollen. So entstand der Eindruck, der Sieg über den IS sei nahe.

Doch der Kampf um Mossul hat auch eine andere Seite: Scharfschützen, Autobomben, Raketen, mit Öl gefüllte Schützengräben, die nur auf ein Streichholz warten, um den heranrückenden Regierungstruppen die Sicht zu nehmen und die Soldaten mit Erstickungserscheinungen zu lähmen. Mit jedem Vormarsch der irakischen Armee, der kurdischen Peschmerga und der westlichen Anti-IS-Allianz wird der Widerstand der Dschihadisten stärker. In vordem zurückeroberte Gebiete fallen IS-Kämpfer wieder ein. Geheimtunnel, die Siedlungen und Straßenzüge verbinden, dienen als Manövrierwege, ein brennendes Sulfat-Werk hat tagelang die Kampfhandlungen lahmgelegt. Die Opfer aufseiten der Regierungstruppen bleiben ungenannt. Nur die Särge der gefallenen Kämpfer sprechen eine eindeutige Sprache.

Abadi steht unter Druck, und das sieht man ihm an. Die Erfolgsmeldung, dass der Ring um die Großstadt Mossul nun gänzlich geschlossen wurde und dem IS die Versorgungswege abgeschnitten sind, kann der Premier nicht bejubeln. Denn es waren nicht die Truppen unter seinem Kommando, die diese Tat vollbrachten, sondern die Hashid al-Shaabi, die Schiitenmilizen.

Unmut über Milizen

Doch über die "Volksmobilisierungskräfte", wie sie auch genannt werden, gibt es großen Unmut. Zum einen, weil sie in den von ihnen eroberten Gebieten Herrschaftsansprüche stellen, Menschen willkürlich bestrafen und rauben. Zum anderen, weil sie einzig auf Befehl ihrer Führer handeln und jegliche Kooperation mit den Amerikanern ablehnen.

Diese wollten einen Korridor von Mossul nach Syrien offenhalten, den die Schiitenmilizen jetzt geschlossen haben. Weder die Einwohner Mossuls noch flüchtende IS-Kämpfer können fortan aus der Stadt entkommen. Ein humanitäres Desaster kündigt sich an. Das Kalkül der US-Militärs, die die Luftangriffe im Zusammenspiel mit den Bodentruppen koordinieren, war ein anderes: Je mehr Dschihadisten aus Mossul fliehen, umso geringer werde der Widerstand, umso mehr könne die Zivilbevölkerung geschont werden.

Doch der Iran ist dagegen. Der Terror werde so ein weiteres Mal nach Syrien exportiert, heißt es aus irakischen Regierungskreisen, die intensiven Kontakt zum Nachbarn pflegen. Vor zehn Jahren vertrieb US-General David Petraeus mit seiner Offensive gegen Al-Kaida die Terroristen aus dem Irak. Sie gingen nach Syrien, gründeten den IS und kamen 2014 wieder.

Vermittlung vergebens

Teheran befürchtet, dass weitere sunnitische Extremisten in Syrien die Position ihres schiitischen Schützlings Bashar al-Assad gefährden könnten. Die Hashid-Milizen werden vornehmlich von Iran bezahlt. Und der ist nicht der einzige Staat aus der Region, der bei der Rückeroberung Mossuls mitmischt. "Die Schlacht um Mossul ist ein irakischer Kampf", sagte Premier Abadi vor drei Wochen in Richtung Ankara. Die Türkei hatte damals verkündet, sie werde an der Militäroperation teilnehmen, um die turkmenische Minderheit in Mossul vor schiitischer Infiltration zu schützen. Die Spannungen eskalierten in heftigen Wortgefechten.

Nato-Partner USA versuchte zu vermitteln, doch waren die Mühen vergebens. Das Engagement von Hashid im Kampf um Mossul dürfte nun Wasser auf die Mühlen Ankaras sein.