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Frauen und Männer sind gleich viel wert. Was ihre Meinung anbelangt, ihre Leistung, ihre Chancen, ihre Würde. Ein Faktum, das wohl zu allen Österreicherinnen und Österreichern durchgedrungen ist. Auf Widerspruch sollte man kaum treffen, eher auf stolze Feministen. So weit, so erfreulich. So weit die Theorie.
Die Praxis, sprich der Alltag von Frauen, sieht anders aus. Ihre Arbeit wird deutlich schlechter bezahlt als die von Männern gleicher Qualifikation - von den geringeren Gehältern in den sogenannten "Frauenberufen" ganz abgesehen. Zudem sind es nach wie vor Frauen, die den Großteil der unbezahlten Arbeit bei Kinderbetreuung und häuslicher Pflege übernehmen. Sie tun das nicht zwingend, weil sie bessere Eltern und Pflegerinnen sind. Sie tun es, weil ein Rollentausch das Haushaltseinkommen massiv schmälern würde. Denn die Konsequenzen der Gehaltsschere sind gravierender als individuelle Schicksale von Frauen, die nach einem arbeitsreichen Leben mit drastisch weniger Pension dastehen. Die Lohnschere ist eine der Wuzeln einer umfassenden Systemschieflage. Ohne sie auszugleichen, wird sich am Status quo nichts ändern. Trotz aller Lippenbekenntnisse. Und selbst wenn einzelne Frauen es schaffen, den widrigen Umständen zum Trotz, in Spitzenpositionen zu gelangen. Das Problem sitzt tiefer. Es lässt sich nicht durch individuelle Mehrleistung lösen. Es ist ein Strukturproblem - das Frauen jedoch als ihr höchst persönlicher Gordischer Knoten verkauft wird, an dessen Lösung sie unweigerlich scheitern. Unserer hyperindividualisierten Gesellschaft scheint das stimmig. Was dabei vergessen wird: Kinder - an ihrer Betreuung zeigt sich das Ungleichgewicht am deutlichsten - sind kein privates Selbstverwirklichungsfeld. Sie sind es, die später unsere Pensionen zahlen und Windeln wechseln werden. Auch die jener, die kinderlos bleiben und kein Verständnis aufbringen für familienfreundliche Arbeitszeiten oder Pflegeurlaube.
Vielleicht würden mehr Männer in Kindergärten und Volksschulen arbeiten, wenn die Arbeit adäquat bezahlt - und damit wertgeschätzt - wäre. Dann würden Kinder auch nicht ausschließlich unter Frauen aufwachsen - unter Müttern in Karenz oder Teilzeit und Pädagoginnen. Dann könnten auch Männer in Karenz oder Teilzeit gehen - wenn es die Familie finanziell nicht belastet. Das hätte maßgebliche Konsequenzen für die Berufs- und Rollenbilder, nähme Männern die oft alleinige finanzielle Versorgungslast und brächte allen eine gerechtere Verteilung der Pflichten und Freuden von Familie und Arbeit.
Die Gleichstellung von Mann und Frau - es geht hier nicht um die Aufhebung der Unterschiede, sondern um die Gleichheit der Chancen - ist eine enorme Bereicherung für eine Gesellschaft. Nicht nur für die Frauen.