Gesundheitsministerin Brigitte Zarfl will bis Herbst Klärung über ein Maßnahmenbündel fürs Impfen. Sie macht den Weg frei für ein Pilotprojekt für den elektronischen Impfpass im kommenden Jahr.
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Wien. "Wir haben in Österreich eine Herausforderung bei der Verbesserung der Durchimpfungsraten." Gesundheits- und Sozialministerin Brigitte Zarfl wird daher im Herbst Aktivitäten setzen, um das zu ändern. Mit einem Gesetzesentwurf soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass 2020 in drei Bundesländern der elektronische Impfpass als Pilotprojekt gestartet wird, wie sie im Interview mit der "Wiener Zeitung" verrät. Außerdem sollen Experten die Grundlage für einen Maßnahmenmix fürs Impfen schaffen. Die Einführung einer Impfpflicht sei dabei "vielleicht eine Maßnahme". Aber Zarfl warnt davor, dass dies "auf ein Ja oder Nein reduziert wird, weil wir ein Bündel an Maßnahmen brauchen, das umsetzbar ist und die Menschen zum Mitmachen animiert".
Die Gesundheitsministerin der Übergangsregierung wird jedenfalls der Steigerung der Durchimpfungsrate einen Schwerpunkt ihrer Arbeit widmen. "Ich weiß, dass dies ein dringendes Thema ist", stellt Zarfl klar. Die mangelnde Durchimpfungsrate hat beispielsweise dazu geführt, dass es in Österreich in den vergangenen Monaten wieder häufiger Masernerkrankungen gegeben hat. Experten sollen daher unter Einbeziehung von internationalen Erfahrungen umfassend mögliche Maßnahmen beraten. "Ich möchte ein abgerundetes Bild im Herbst haben", erläutert die Ressortchefin, dieses müsse beinhalten, welche Maßnahmen tatsächlich sinnvoll seien.
Was davon schließlich umgesetzt wird, bleibt allerdings wie auch bei anderen Themen und Regelungen der Übergangsregierung der künftigen Bundesregierung nach der Nationalratswahl vorbehalten. "Ich möchte für meinen Nachfolger ein möglichst kompaktes und abgerundetes Paket vorlegen", sagt Zarfl. Eine mögliche Maßnahme könnte dabei eine sektorale Impfpflicht sein, wonach sich Beschäftigte in Gesundheitsberufen verpflichtend impfen lassen müssen.
Pilotprojekt in Wien, Niederösterreich, Steiermark
Fixpunkt für ihre Arbeit als Gesundheitsministerin ist, dass sie die Weichen für ein Pilotprojekt zur Umsetzung des elektronischen Impfpasses stellen wird. Dazu werde es einen Begutachtungsentwurf für das Gesetz zur Gesundheitstelematik geben, kündigt Zarfl im Interview mit der "Wiener Zeitung" an. Nach ihrem Willen soll bis Ende dieses Jahres eine Regierungsvorlage fertig sein. Damit soll die Durchführung des Probebetriebs im kommenden Jahr ermöglicht werden.
Mit dem Pilotprojekt zum elektronischen Impfpass werde man in drei Bundesländern beginnen: das seien Wien, Niederösterreich und die Steiermark, wo mit ausgewählten Partnern auf Seiten der Ärzte zusammengearbeitet werde. "Das ist eine der flankierenden Maßnahmen zur Anhebung der Durchimpfungsrate", sagt sie. Für die Ressortchefin ist diese Neuerung eines der Instrumente der sogenannten E-Health: "Ich nütze hier die Digitalisierung."
"Nicht Keule gegen Ärzte auspacken"
Die elektronische Gesundheitsakte, kurz Elga, sorgt für Zündstoff mit der Ärztekammer, die vor allem kritisiert, dass es bei elektronischen Befunden noch viele Schwachpunkte gebe. So wird bemängelt, dass die elektronische Suche nach Befunden kompliziert sei und lange dauere. Auf manche Befunde gebe es keinen Zugriff.
Bei einer Evaluierung wurde inzwischen ein Katalog mit insgesamt mehr als 40 Punkten festgelegt, bei denen nun Verbesserungen vorgenommen werden sollen. Zarfl zieht dazu einen Vergleich zu E-Banking: "Vor zehn Jahren war das auch noch etwas für Freaks." Mittlerweile werde das freiwillig breitflächig genützt. Trotz der Kritik betont sie mit Nachdruck: "Wir sind da europaweit in der ersten Liga dabei."
Auf das Prinzip der Freiwilligkeit setzt sie auch bei der Nutzung elektronischer Befunde. Der Start sei mit rund 250 Ärzten erfolgt. "Ich will nicht alles verordnen", betont sie, "ich kann auf keinen Fall jemanden zwingen, wenn er nicht den Nutzen sieht. Da ist nicht geplant, die Keule auszupacken." Die Tools müssten so entwickelt werden, dass sie von den Ärzten gern benützt werden: "Es soll für Ärzte nicht zu mehr Administration, sondern zu Erleichterungen führen." Dann werde das neue elektronische System nicht nur von den Ärzten mit Kassenvertrag, sondern auch von privaten Wahlärzten genützt. Sie brauche die Ärzte jedenfalls als "Partner im Boot".
Als ein konkretes Beispiel für notwendige Verbesserungen nennt die Gesundheitsministerin, dass auch verstärkt die sogenannte bildgebende Dokumentation in die E-Befunde einbezogen werden müsse. Damit sollen auch die Dokumente von Radiologen in das System eingebracht werden. Im September wird geklärt werden, wie der Zeitplan für die Verbesserungen aussehe und welche Punkte vorrangig zu behandeln seien. Deswegen antwortet Zarfl auf die Frage, wie lang die Beseitigung der Schwachstellen dauern werde: "Das kann ich im Herbst beantworten." Das liege auch daran, dass der Bund "hier nicht isoliert tätig" sei, sondern dass man auch die Bundesländer und die Sozialversicherung als Drittelpartner brauche. Sie werde als Ministerin der Übergangsregierung ihren Beitrag in den kommenden Monaten leisten, um die entsprechende Infrastruktur für die elektronische Gesundheitsakte (Elga) sicherzustellen.
Weiter ist das Gesundheitsressort schon bei der Einführung der E-Medikation, wo Ärzte und Apotheken unter anderem nachschauen können, welche Medikamente ein Patient verschrieben bekommt und dies abspeichern können. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit für den Arzt festzustellen, welche Nebenwirkungen es bei der gemeinsamen Einnahme mehrerer Präparate gibt. Damit seien Erleichterungen für Ärzte und Patienten verbunden. "Diese Schiene ist gut etabliert", diagnostiziert Zarfl.
Im Sozialbereich wird bei der Pflege die Grundlage für Reformen durch die künftige Bundesregierung geschaffen. Denn im heurigen November werden zwei Studien vorgelegt, die noch während der Zeit der türkis-blauen Bundesregierung in Auftrag gegeben worden sind. Eine Studie hat die Pflegefinanzierung zum Inhalt, wobei unter anderem auch die Frage der Pflegeversicherung geprüft wurde.
Klares Nein zur Trennung der Ministerien
Die zweite Studie betrifft die Situation beim Pflegepersonal, die alle Bereiche der Pflege umfassen soll. Entscheidend wird darin vor allem eine Prognose über den Bedarf an Pflegepersonal bis zum Jahr 2030 sein. Für die Sozialministerin wird damit die Basis für eine Pflegereform geschaffen. Diese ist von ÖVP und FPÖ für den heurigen Herbst angekündigt worden, aber der vorgezogenen Neuwahl zum Opfer gefallen ist.
Zarfl empfiehlt darüber hinaus grundsätzlich eindringlich, das Gesundheits- und das Sozialministerium in einer künftigen Bundesregierung nicht zu trennen. "Die Kombination, so wie das Haus jetzt ist, ist wirklich sinnvoll", betont die amtierende Ministerin: "Was an Synergien in diesem Haus möglich ist, wäre in einer anderen Konstellation nur mir großem Abstimmungsbedarf möglich".