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"Nicht nur Kriege und Piraten"

Von Ania Haar

Politik
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Somali-Unterricht soll es auch bald in Schulen im 20. und 21. Bezirk geben.
© Luiza Puiu

Zum ersten Mal findet an zwei Wiener Volksschulen Unterricht in Somali statt.


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Wien. "Ja, alle in der Schule haben die Anmeldung für den Unterricht unterschrieben" - und: "Nein, es ist nicht schwer zu lernen", da sind sich alle fünf Schüler einig. Einmal pro Woche, jeden Donnerstag, kommen die 10- bis 12-Jährigen in den kleinen Unterrichtsraum, in der Volksschule am Münnichplatz in Simmering zusammen, um ihre Muttersprache Somali zu lernen.

Die Lehrerin Mahamud Rawda Yuusuf startet gleich mit einer praktischen Übung: vorlesen und Adjektive herausfischen. Muttersprachlicher Unterricht sei wichtig. "Die Schüler kennen oft die Geschichte, die Literatur und Landeskunde nicht", erzählt die junge Somalilehrerin, "und sie müssen noch lesen und schreiben lernen."

Eine Frage der Wertigkeit

Zum ersten Mal findet in Wien Unterricht in Somali statt: Obwohl schon seit den 70er Jahren muttersprachlicher Unterricht in rund 24 Sprachen angeboten wird, blieben afrikanische Sprachen auf der Strecke. Warum eigentlich? Brigitta Busch, Professorin für angewandte Sprachwissenschaft an der Universität Wien, erklärt das folgendermaßen: "Oft wissen weder die Eltern noch die Direktion, dass es diese Möglichkeit gibt. Bei den afrikanischen Sprachen kommt die Geschichte des Kolonialismus hinzu. In vielen afrikanischen Ländern wird den Sprachen der Kolonialmächte - wie Französisch, Englisch, Portugiesisch, Spanisch - eine höhere Wertigkeit beigemessen als den afrikanischen. Außerdem haben die Kolonialsprachen das afrikanische Bildungssystem dominiert und auch hier die afrikanischen Sprachen abgewertet. Im österreichischen Kontext unterliegen diese einer doppelten negativen Hierarchisierung. Konsequenz: Die afrikanischen Sprachen werden nur in der Familie gebraucht und wachsen sozusagen nicht mit." Später können die Kinder laut Busch nicht alle ihre Bedürfnisse voll ausdrücken, weil Deutsch stärker wird und die eigentliche Muttersprache viel schwächer. Dabei sei es notwendig, dass auch in diesen Sprachen in der Schule unterrichtet wird.

Brigitta Busch, die gerade das Buch "Mehrsprachigkeit" publiziert hat, sieht weitere wichtige Gründe, warum in der Schule muttersprachlicher Unterricht stattfinden sollte. "Es geht um die Anerkennung der Mehrsprachigkeit und deren Wahrnehmung, sowohl in der Schule als auch in der Gesellschaft." Die meist nur zu Hause gesprochene Sprache werde zu einer Schriftsprache, auf diese können Kinder später als Erwachsene zugreifen. Aber sie helfe auch dabei, Beziehungen mit dem Land zu pflegen und mit den Großeltern und der breiteren Familie zu kommunizieren. Außerdem stärke das Erlernen der Muttersprache das Selbstbewusstsein und wirke sich insgesamt positiv auf die sprachliche Entwicklung des Kindes und den Erwerb weiterer Sprachen aus, meint Busch.

Dass es jetzt Somali-Unterricht gibt, ist glücklichen Umständen zu verdanken. Im Zuge des transdisziplinären Forschungsprojekts "PluS - Plurilinguale SprecherInnen in unilingualen Situationen", das Brigitta Busch zusammen mit Walter Schicho vom Institut für Afrikawissenschaften leitet, wurde man auf die Problematik aufmerksam und überlegte, ob man nicht vielleicht eine Klasse zustande bringen könnte. In der somalischen Community gibt es laut Busch ein reges Vereinsleben und so wurde diese Idee mit großer Begeisterung aufgenommen. "Viele, die wir fragten, haben auch gleich eine Anmeldung zum Unterricht unterschrieben", erzählt Lehrerin Yuusuf, die gleichzeitig Obfrau von "Hooyo" ist - der Verein somalischer Frauen in Österreich. Man klopfte beim Stadtschulrat an und hatte Erfolg.

Derzeit in zwei Schulen

Derzeit findet Somali-Unterricht an zwei Schulen in Simmering statt. Und zwar zweimal pro Woche jeweils eine Unterrichtsstunde für insgesamt 35 Kinder. Wie viele Somali-Sprecher es in Wien gibt, weiß laut Busch niemand so genau. Bedarf gebe es aber auf jeden Fall. Denn für manche Schüler sei es zu weit, in den 11. Bezirk zu fahren. So werde bereits angedacht, Klassen im 20. oder 21. Bezirk zu eröffnen.

Gerade hat eine Schülerin eine Übung in ihrem Übungsbuch fertig und Lehrerin schaut sich diese an. Es wird erklärt, geschrieben, diskutiert. Die Unterrichtsmaterialien kommen aus Schweden, da dort das Unterrichtssystem und die Bildungsmaterialien auf wesentlich mehr Sprachen ausgerichtet sind. Demnächst werden für höhere Stufen sogar noch zusätzliche Bücher aus den USA bestellt, weil es dort eine große somalische Community gibt. Alle Schüler, die zum Unterricht kommen, haben somalische Wurzeln und sind unterschiedlich lang in Österreich, manche schon hier geboren.

In dem kleinen Unterrichtsraum mit zwei Tischen, roten und blauen Stühlen, geht es lustig zu. Aber es gibt noch eine weitere Dimension, die hier spürbar wird. "Ich nehme den Kindern auch die Angst vor diesem Land weg", sagt die somalische Lehrerin, "sie haben oft nur Schlechtes gehört oder erfahren."

Und Brigitta Busch fügt hinzu: "Für mich war das Wichtigste, von einer Schülerin zu hören, dass sie im Unterricht erfahren hat, dass Somalia ein ganz normales Land ist wie Österreich, mit Bergen und Flüssen, und nicht ein Land, wo es nur Kriege und Piraten gibt."