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"Nicht Radfahrer gegen Autofahrer, sondern Kapital gegen Arbeit"

Von Gerd Millmann

Politik

Der Landesparteitag der Wiener SPÖ bestätigte Bürgermeister Häupl und sich selbst.


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Ausgerechnet ein Streichquartett. Drei rot bekleidete Geigerinnen und eine Bassistin spielten auf der Bühne auf, während die 908 Delegierten des Wiener SPÖ-Parteitags Samstag Mittag ihren neuen Parteivorstand wählten. Ein Streichkonzert auf den Wahlzetteln haben die Delegierten dann doch nicht veranstaltet. Bürgermeister Michael Häupl wurde mit 92,7 Prozent für zwei weitere Jahre gewählt. 2011 hatte Häupl keine 90 Prozent erreicht, seine Stellvertreterin, die Wiener Finanzstadträtin Renate Brauner, hatte beim letzten Wahlparteitag der Wiener SPÖ gar nur 72 Prozent erreicht. An diesem Samstag waren es immerhin 81 Prozent.

Neue Kuschelstimmung

Vielleicht war an der neuen Kuschelstimmung in der Partei auch die Inszenierung beteiligt. "We are family" rief das US-amerikanische Sternchen Johnny Madden um 9 Uhr morgens der Parteielite entgegen. Vereinzeltes Schmunzeln war garantiert. Schließlich sind sich die Sozialdemokraten Wiens in einzelnen politischen Fragen ausdrücklich uneinig. Vor allem die Integrations- und die Verkehrspolitik hat in den vergangenen Monaten zu deutlich vernehmbarem parteiinternen Knirschen geführt. Die Frage der Nachfolge des als angeschlagen geltenden Bürgermeisters wurde schon halblaut debattiert.

Und dann verkündete am Mittwoch bei seiner Feier zum 20jährigen Jubiläum als Bürgermeister einmal mehr, er wolle sehr wohl bei der kommenden Gemeinderatswahl 2015 wieder antreten. Und beim Parteitag am Samstag gab er einen kämpferischen Auftritt, der den Delegierten klar machen sollte, dass er sich noch nicht als alter "Silberrücken" fühlt.

"Häupl muss gedopt sein"

Das dürfte ihm gelungen sein. "Der muss gedopt sein", entfuhr es einem Simmeringer Delegierten nach der Rede seines Vorsitzenden.
Häupl hatte seine Partei an der Eitelkeit gepackt. "Wir sind einfach wirklich gut", konstatierte er als Ursache der relativ guten wirtschaftliche Situation der Stadt. Auch Klassenkampfrhetorik kam positiv bei den Zuhörern an. "Der Hauptgegensatz in Wien heißt nicht Radfahrer gegen Autofahrer, sondern Kapital gegen Arbeit." Und "die Reaktionären nehmen eine hohe Arbeitslosigkeit in Kauf, weil es ihnen wurscht ist, ob die Leute was zu hackeln haben."

Neben Wohlfühlworten für Wien und deftiger Kritik am politischen Gegner postulierte Häupl die Beitragsfreiheit für Kindergärten auch in Zukunft und den Ausbau von Forschung und Technik in Wien. Standing Ovations waren garantiert.

Zuvor hatte der Bundeskanzler und Bundesparteivorsitzende Werner Faymann den Bogen von der Bezirks- zur Europapolitik gespannt. Er hatte wie schon bei der SPÖ-Klubtagung im März Steuerparadiesen den Kampf angesagt und sich als Staatsmann von Europaformat präsentiert. Denn "jede Antwort auf internationale Probleme können wir nur auf internationaler Ebene geben." In Richtung Nationalratswahl erinnerte er die "Genossinnen und Genossen" daran, was die "schwarzblaue Regierung Schüssel in wenigen Tagen zerstört hat". Die Republik habe es mit 14 Milliarden Euro Haftung für das Land Kärnten zu tun. "Das verdanken wir Herr Strache und Co, die nichts von Wirtschaftpolitik, aber viel von Aufhetzen der Leute versteht". So etwas kommt in der sozialdemokratischen "Familie" an. Noch dazu, als Faymann am Schluss Wien als Vorbild anführt.

Graben zwischen den Generationen

Wenig Troubles gab es auch bei der Diskussion um die Beschlüsse des Parteitags. Die Anträge gegen Spekulationen mit Grundnahrungsmitteln, für Open Data für alle Gebietskörperschaften, für eine Deckelung für Managergehälter und den automatischen Datenaustausch gegen Steuerflucht wurden mehrheitlich angenommen. Allein die Debatte um mehr Rechte für Asylwerber und die Beteiligung Privater am Bau öffentlicher Schulen führte zu Debatten. Der Graben der Auseinandersetzung verlief zwischen den Generationen. Die Jungen gaben die staatsorientierten "Gutmenschen", die Alten die verständlichen Pragmatiker. Generationenkonflikt sieht anders aus. "Zu meiner Zeit haben wir denen da oben aber so was von eingeheizt. Die Jungen sind auch nimmer das, was sie früher waren", übte sich ein rauhaariger Delegierter mit Ponyschwanz in reminiszenter Kritik.

Von Krawatte bis zur Rockerkluft

Angesichts der dahinplätschernden Diskussion kümmerten sich einige Delegierte um die wirklich wichtigen Themen. Den Dresscode zum Bespiel. Während sich der Bürgermeister im dunklen Stoff und roter Krawatte seriös zeigte, genügte seinem Bildungsstadtrat ein weißes Hemd. Einige zeigten sich sogar in Rockerkluft mit Jeans und Lederjacke. Es waren die standesgemäß gekleideten "Red Biker", die ihre schweren Maschinen vor dem Eingang zur Schau stellten.

Die größte Aufregung gab es um die Tagesordnung. Das Gedenken an die verstorbenen Parteimitglieder fand entgegen alter Tradition nicht am Beginn des Parteitags, sondern zu Mittag statt. Ein Meidlinger Witzbold hat eine Erklärung: "Vielleicht haben am Vormittag noch ein paar sterben müssen, damit die Statistik stimmt". Übrigens: 1055 haben seit dem letzten Parteitag das Zeitliche gesegnet.

Vielleicht des Rauchens wegen. Dennoch hing über dem Bereich vor dem Messeeingang eine Tabakrauchwolke. Einige der heftig rauchenden Delegierten versäumten auf diese Weise die Abstimmung zum Antrag 4.09 "Ja zu einer fortschrittlichen Drogenpolitik."