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Nicht unbedingt ein Wahlkrimi

Von Hermann Schlösser

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Mehr als 3,7 Millionen Zuseher haben die Wahlberichterstattung des ORF am Sonntagabend verfolgt. Diese Zahl ist einer Presseaussendung des ORF zu entnehmen, und sie beweist, wie eng das Wahlereignis mit dem Fernsehbericht darüber verknüpft ist. Wer am Tag zur Wahl ging, will einfach am Abend vor dem Bildschirm miterleben, was aus seiner Stimme geworden bzw. nicht geworden ist.

Nun war das Ergebnis der Wahl überraschend, denn den großen Vorsprung der ÖVP hat kein Meinungsforschungsinstitut vorausgesehen. Und doch fehlten der Berichterstattung zwei wesentliche Spannungselemente. Dieser Mangel ist nicht etwa auf eine schlechte Arbeit des ORF zurückzuführen - er wurde vielmehr von der Realität diktiert: Früh stand das Wahlergebenis schon fest, für banges Zittern oder langes Hoffen war also wenig Gelegenheit. Und im Verlauf des Abends zeigte sich, dass kein Spitzenpolitiker bereit war, Koalitions- oder Personalfragen vor laufender Kamera zu erörtern. Muss Haupt zurücktreten? Was wird aus Gusenbauer? Trotz dringlicher Nachfragen von Seiten der Journalisten blieben Fragen dieser Art ohne eindeutige Antwort.

Nein, einen "Wahlkrimi" konnte man am Sonntagabend nicht verfolgen. Aber vielleicht ist dieser viel strapazierte Ausdruck ohnehin fehl am Platz. Denn in einem Krimi geht es um Mord, Totschlag und Verbrechen. Eine Wahl hingegen ist ein demokratisches Procedere, das eben nicht immer so "spannend" ablaufen kann, wie es die Fernsehdramaturgen gerne hätten.