25.000 Personen mit bulgarischem Hintergrund leben in Österreich.
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"Wiener Zeitung": Wie viele Bulgaren leben in Österreich?
Elena Shekerletova: Im Jänner 2012 waren circa 13.000 bulgarische Staatsbürger in Österreich ansässig. Wenn man die österreichischen Staatsbürger mit bulgarischem Hintergrund dazu zählt, steigt die Anzahl auf bis zu 25.000 Personen. Darunter sind viele Menschen, die mit beiden Kulturen aufgewachsen sind - eine neue Art Homo Europeikus, die von der Kenntnis mehrerer Sprachen und Kulturen profitiert.
Bulgaren haben keinen freien Zugang zum Arbeitsmarkt in Österreich. Wovon leben sie?
Die Übergangsfrist läuft bis 31. Dezember 2013. Danach wird der Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt auch für bulgarische Staatsbürger frei sein. An diesem Tag erwarte ich keine riesige Veränderung. Man soll sich nicht vor bulgarischen Arbeitsanwärtern fürchten. Österreich öffnete den Arbeitsmarkt für Staatsbürger der zehn neuen EU-Länder. Es hat sich nicht viel verändert. Im Gegenteil: Viele europäische Länder, Österreich inklusive, klagen über Fachkräftemangel. Man überlegt Anreize für Gutqualifizierte zu schaffen oder wie, Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz sagte: "Der Kampf um die besten Köpfe und die fähigsten Hände hat längst begonnen."
Die Bulgaren in Österreich haben auch jetzt Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt legal zu verdienen, etwa in Mangelberufen, als Fach- und Schlüsselkräfte, Wissenschafter, Saisonarbeiter in Tourismus, Land- und Forstwirtschaft. 3894 Bulgaren sind als Arbeitnehmer beschäftigt, zwei Drittel leben in Wien. Darüber hinaus sind Bulgaren als Selbständige den Österreichern gleichgestellt. So entstanden viele kleine und mittlere Unternehmen.
Haben Bulgaren auch interkulturelle Probleme?
Integration passiert auf zwei Ebenen: über Bildung, Beschäftigung und soziale Sicherheit, sowie auch auf der privaten Ebene. Bulgaren sind ein gutes Beispiel für Integration: Selbstbewusst und erfolgreich haben viele hier gute Jobs und stabile Netzwerke. Natürlich gibt es auch Missverständnisse. Der Grund ist wie in jedem Land oft die örtliche Bürokratie. Hilfreich für Bulgaren sind deren gute Deutschkenntnisse. Die Mehrheit der Community ist gut ausgebildet und verfügt über berufliche Qualifikationen. Studenten berichten aber über doppelte Krankenversicherung: Durch ihre Krankenversicherung in Bulgarien haben sie Zugang zum österreichischen Gesundheitssystem. Manche Ärzte weigern sich aber, dies anzuerkennen, und so müssen die Studenten eine zweite Versicherung abschließen, obwohl das in der EU nicht mehr notwendig sein dürfte.
Bulgaren sind erfolgreich: Albena Danailova ist erste Konzertmeisterin der Wiener Philharmoniker. Trotzdem dominieren negative Schlagzeilen. Haben Sie eine Strategie zur Imageverbesserung?
Viele Künstler bulgarischer Herkunft feiern hier Erfolge. Medien bevorzugen meist negative Schlagzeilen. Die Verbrechensbekämpfung verlief im letzten Jahr deutlich besser: Die bilaterale Kooperation trägt Früchte in Form gemeinsamer Aktionen der bulgarischen und österreichischen Exekutive - ein Ergebnis nachhaltiger Zusammenarbeit.
Österreich ist seit Jahren führender Investor in Bulgarien. Gibt es bulgarische Investoren in Österreich?
Die bulgarischen Investitionen hier sind bescheiden. Kleine und mittlere Unternehmen sind in den Bereichen Gastronomie, Tourismus, Handel tätig. Die größte bulgarische Investition ist eine Biodieselfabrik in Enns. Transport- und Logistik-Unternehmen sehen sich gerade um. Die steigende Bedeutung der Donau als Transportader bietet ihnen Chancen.
Was könnte sich Österreich von Bulgarien abschauen?
Beim Geben von Rezepten bin ich vorsichtig. 18 Prozent vom Brutto-Inlandsprodukt als Staatsverschuldung sind eine beispielhafte Leistung. Bulgarien ist konsequent bei der Finanzdisziplin. Die Entwertung der nationalen Währung 1996 hat uns gelehrt, nicht über unsere Verhältnisse zu leben. Weiteres gibt es in Bulgarien eine Flat-Tax-Rate von zehn Prozent, die von Investoren geschätzt und genutzt wird.
Der bulgarische Zar Ferdinand Sachsen-Coburg-Gotha ist im Palais Coburg in Wien geboren. Welche Spuren hat Österreich noch in Bulgarien hinterlassen?
Ende des 19. Jahrhunderts waren österreichische Architekten in Bulgarien tätig und entwarfen die schönsten Gebäude in der Hauptstadt und in anderen Städten. Dies kann man bei einem Ausflug nach Sofia feststellen: Es sind 80 Flugminuten von Wien.
Was wissen die Österreicher nicht über Bulgarien als Urlaubsort?
Die Zahl österreichischer Touristen liegt bei 115.000 pro Jahr. Die meisten kennen nur die Schwarzmeerküste. Ich habe gelesen, dass Österreicher gerne Heimaturlaub machen. Alles, was sie an der eigenen Natur lieben, werden sie auch in Bulgarien finden, aber zu günstigeren Preisen: Gebirge, urige Skiurlaubsorte, Seen in alpinen Lagen, Heilwasserquellen. Klettern, Jagen, Golf und Kulturtourismus bieten wir auch an. Zivilisationen, älter als die trakische und griechische, haben Spuren hinterlassen. Das älteste bearbeitete Gold, fast 7000 Jahre alt, wurde bei Varna gefunden.