Damit Vergleiche wirken, müssen sie passen. In der dauerempörten Politik liegen sie meist daneben.
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Vergleiche sollen, wenn schon nicht klüger, so doch wenigstens sicher machen. Dazu jedoch müssen Maßstäbe und Rahmenbedingungen passen, ansonsten endet man schnell bei Birnen, die bekanntlich keine Äpfel sind. Doch während der Vergleich für Wissenschaft, Kunst und Wirtschaft ein wichtiges Mittel zur Einordnung und Selbstverortung ist, hat die Politik diese Kunst zum Handwerk von Denunziation oder gezielten Verwirrung gemacht.
Die laufende Justizdebatte ist dafür ein passendes Beispiel. Man kann die geharnischte Kritik des Bundeskanzlers an der Anklagebehörde als unangemessen, unsachlich, verallgemeinernd und sogar als Zumutung bewerten, als polemisch und populistisch sowieso. Und trotzdem ist diese kein Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz.
Von daher führen auch all die Vergleiche mit Ungarn oder Polen, gar nicht zu reden von Russland oder der Türkei, in die Irre. Die Unabhängigkeit der Justiz ist in Österreich institutionell vielfach abgesichert, der Rechtsstaat mit dem Verfassungsgerichtshof an der Spitze, wo Christoph Grabenwarter am Mittwoch als neuer Präsident angelobt wurde, fest verankert. Für die Durchsetzung eines auf eine Person zugeschnittenen Machtkartells fehlen alle Voraussetzungen - zuvorderst entsprechend willfährige Medien. Und weil diese Vergleiche eben nicht passen, stoßen sie bei den Bürgern auf keine Resonanz.
Oder Thüringen. Die Vorgänge im deutschen Kleinbundesland, wo CDU und FDP im Kampf gegen die Linkspartei rücklings in ein gemeinsames Stimmverhalten mit der AfD getaumelt sind, war ein Offenbarungseid politischer Unbedarftheit und vielleicht sogar mehr. Was "Thüringen" aber mit Sicherheit nicht ist, ist das Heraufdräuen von "Weimarer Verhältnissen", worunter die Selbstausschaltung der demokratischen Kräfte zugunsten der erstarkenden Nationalsozialisten in den 1920ern verstanden wird.
An diesem Vergleich stimmt praktisch nichts: Nicht die sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen, nicht die Widerstandsfähigkeit der Institutionen und schon gar nicht ist die AfD ein Wiedergänger der NSDAP. Und trotzdem war das Schreckgespenst von "Weimar" bei "Thüringen" allgegenwärtig. Das Warum bleibt ein Rätsel.
Dass eine solche Strategie der Dämonisierung - NS-Vergleiche sind nicht weiter steigerbar - die erhoffte Wirkung bei den Wählern zeigt, darf mit Verweis auf Österreich als unwahrscheinlich gelten. Weil nach dem Bauchgefühl der allermeisten Bürger die neuen Nazis eben nicht unmittelbar vor der Machtergreifung stehen. Und eben auch kein junger Viktor Orban heranwächst.