Hahn gegen Stopp von Finanzhilfen als Druckmittel auf Länder. | Donauraum- Strategie "nicht nur zum Geldlukrieren". | "Wiener Zeitung": In Ihrem Ressort, der Regionalpolitik, gibt es immer wieder Kritik, dass die Länder die Geldmittel nicht ausreichend ausschöpfen. Welche Auswirkungen wird das auf die Erstellung des nächsten EU-Finanzrahmens haben?
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Johannes Hahn: Diese Debatte spielt immer eine Rolle. Doch muss unterschieden werden zwischen Zusagen zu Projekten und der endgültigen Abrechnung sowie Auszahlung. Bei den Zusagen stehen wir jetzt bei nicht ganz 60 Prozent nach vier Jahren. Doch haben tatsächlich einige Länder Kapazitätsprobleme.
Soll die Donauraum-Strategie ein zusätzlicher Ansporn sein, Geld zu lukrieren?
Es geht nicht nur ums Geldlukrieren. Bei der Strategie sind acht Mitgliedsländer und sechs andere Staaten dabei - vom Beitrittswerber Kroatien bis zu Moldawien und der Ukraine. Die Strategie soll auch die Möglichkeit bieten, diese Länder an europäische Standards heranzuführen.
Ist dafür eine neue Strategie überhaupt notwendig?
Das war der Wunsch der Länder selbst; die Initiative ging von Österreich und Rumänien aus. Die Idee solcher makroregionalen Strategien besteht darin, verschiedene Probleme, die nur gemeinsam gelöst werden können, gemeinsam anzugehen. Wenn wir etwa stromaufwärts die Donau reinigen und 40 Kilometer weiter wird sie wieder verdreckt, ist das fast ein verlorener Aufwand. Es geht also um Projekte, die einer regions- oder länderübergreifenden Zusammenarbeit bedürfen.
Doch verfolgen die Länder oft unterschiedliche, nationale Interessen. Wie wollen Sie da die Zusammenarbeit fördern?
Die Alternative wäre, nichts zu machen. Und das wäre definitiv ein Rückschritt.
Könnte das Geld umgekehrt auch als Druckmittel verwendet werden? Warum sollten Finanzhilfen nicht gestoppt werden, wenn beispielsweise Rumänien nicht genug die Korruption bekämpft oder Griechenland ein riesiges Budgetdefizit hat?
Das würde bedeuten, wir ziehen uns von dort zurück. Es wäre ein Aufgeben. Und das zeugt nicht von europäischem Geist. Vielmehr sollten wir Probleme erkennen und bearbeiten. Daher ist auch eine der Aufgaben der Regionalpolitik, eine verbesserte Verwaltung zu fördern, die Länder an ein europäisches Niveau heranzuführen.
Mit dem Risiko, dass das Geld nicht an den Ort gelangt, für den es bestimmt ist?
Wir haben eine Vielzahl von Sicherungsmechanismen und Auflagen. Wenn die nicht erfüllt werden, gibt es keine Finanzhilfe.
Was erwarten Sie vom ungarischen EU-Vorsitz im kommenden Halbjahr?
Ungarn hat ein ehrgeiziges Vorsitzprogramm, aber es ist Budapest auch bewusst, dass es mit dem umgehen muss, was auf der Tagesordnung steht, etwa Vorbereitung des Finanzrahmens. Ich hoffe aber, dass die Ungarn manche ihrer Schwerpunkte umsetzen können, beispielsweise in der Erweiterung der EU am Westbalkan.
Es gibt allerdings Bedenken wegen eines autokratischen Führungsstils der ungarischen Regierung.
Die zentralen Aufgabenstellungen haben mit der Innenpolitik eines Landes wenig zu tun. Die Ungarn sind versierte Europäer.
In dem Machtspiel zwischen Ländern, EU-Parlament und Europäischer Kommission scheint die Kommission nach Inkrafttreten des Lissaboner Vertrags eine Verliererin zu sein. Wandelt sie sich von der Ideengeberin zur Aufgabenerfüllerin?
Es hat eine Neuverteilung im Kräftespiel gegeben, aber die Zuständigkeit der Kommission ist im Großen und Ganzen gleich geblieben: Sie ist Hüterin der Verträge und hat das ausschließliche Initiativrecht. Es kann also nur etwas bewegt werden, wenn die Initiative von der Kommission ausgeht. Alles, was etwa als mögliche Antworten auf die Krise gegeben wurde, wurde in Kommissionsdienststellen vorbereitet. Entscheidend ist aber nicht ein Wettbewerb der Institutionen, sondern dass Europa vorankommt.
Kommt Europa denn voran? Für das aktuelle Krisenmanagement hat es zwar Lob bekommen, aber eine größere Architektur fehlt, um kommenden Finanzkrisen zu begegnen.
Es gibt immer wieder die Mühen der Ebene. Doch wenn ich mir die Ergebnisse des letzten Europäischen Rates ansehe, die Vertragsänderung für einen dauerhaften Krisenmechanismus, dann ist das ein veritabler Schritt voran. Beschließen müssen es aber die Länder; die Kommission kann nicht einseitig etwas vorgeben. Außerdem gibt es in Europa zwei unterschiedliche Gesellschaftsmodelle: ein stark etatistisches wie in den skandinavischen Ländern und auf der anderen Seite wie in Großbritannien ein eher anti-etatistisches Konzept. Das bedeutet, dass der Staat überall unterschiedliche Zuständigkeiten hat. Das ist etwa bei Steuerharmonisierungen zu berücksichtigen.
Ist es demokratiepolitisch in Ordnung, wie die Krise bewältigt wird? Es gab eine Vertragsänderung, es werden Eurobonds diskutiert, und die Menschen wurden zu all den Lösungsansätzen nicht befragt.
In allen europäischen Ländern haben wir das Modell der repräsentativen Demokratie. Und es gibt dort nichts, was undemokratisch wäre. Alle Entscheidungen werden von Vertretern getroffen, die direkt oder indirekt demokratisch legitimiert sind und ein Mandat auf Zeit von ihren Wählern haben. Der Wählerauftrag kann ja später korrigiert werden.
Johannes Hahn (53), ehemaliger Obmann der Wiener ÖVP sowie Ex-Minister für Wissenschaft und Forschung, ist seit Februar dieses Jahres EU-Kommissar für Regionalpolitik.