Entweder man hat ihn oder man hat ihn nicht - Geschmack. Sagt man jedenfalls. Doch wo das Geld regiert, ist alles käuflich. Sogar Stil und Geschmack. Selbst ein eigener Beruf ist inzwischen entstanden, ein Dienstleister der neueren Art: der Personal Shopper. Und wie der Name sagt, kommt diese Idee wieder einmal aus Amerika, wo ja bekanntlich der Geschmack zuhause ist . . .
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Während sich bei uns die Politiker ihre Fach-Kompetenz zumeist per Berater holen, vernachlässigen sie oft einen ganz wichtigen Faktor: das äußere Erscheinungsbild. Zeitmangel, Desinteresse? In Amerika scheint man die Bedeutung einer positiven Ausstrahlung in der Öffentlichkeit mithilfe der Kleidung begriffen zu haben. Eine Condoleezza Rice, ihres Zeichens US-Außenministerin, macht überall auf der Welt einen tollen Eindruck mit ihren Outfits. Da sie mit Sicherheit keine Zeit für ständige Kleidersuche hat, muss jemand dahinter stecken. In der Tat. Ein Personal Shopper, ein Dienstleister der neueren Art, in den Staaten zunehmend ein eigener Beruf. Desgleichen bedient sich Popstar Madonna eines Modeberaters. Inzwischen kann man sich auch in Europa von findigen Leuten beim Einkaufen helfen lassen. Manche finden es sogar schick, im Freundeskreis oder im Tennis-Club von ihrem "eigenen" Einkaufsbegleiter zu schwärmen.
Vom Verkäufer zum Einkaufsbegleiter. Der gelernte Betriebswirt Christian Hoffmann ist ein solcher; vor fünf Jahren kam er auf den Gedanken, mehr aus seinem Wissen in der Mode und seinen Erfahrungen beim Einkaufsverhalten der Kunden zu machen, die er sich beruflich im Ein- und Verkauf bei angesehenen Bekleidungsgeschäften erworben hatte. Die Erkenntnisse: Viele Menschen sind zwar erfolgreich im Beruf und strotzen nur so mit angelerntem Wissen um viele Dinge, das Gefühl für eine ansprechende Kleidung jedoch blieb dabei eher unterentwickelt. Und, hier spricht der Insider, der Einzelhandel kann heute einen perfekten Service kaum mehr bieten. Gestresste oder ignorante Verkäufer nerven oft den kaufwilligen Kunden und verhindern bessere Umsätze.
So wechselte der pfiffige Oldenburger aus dem traditionellen Stand des Bekleidungsverkäufers in den unkonventionellen, dafür selbständigen Job eines Einkaufsbegleiters und Modeberaters. Eine Veränderung in jeder Beziehung. Denn selbständig heißt für ihn auch: Er ist nun selbst verantwortlich und arbeitet ständig. Doch es macht ihm Spaß, anderen bei ihren Schwierigkeiten hinsichtlich eines richtigen Outfits zu helfen, interessanten Menschen zu begegnen und dabei mehr zu verdienen als zuvor.
Es sind unterschiedliche Gründe, die seine Kunden veranlassen, sich an ihn zu wenden. Mangelnde Sicherheit in Geschmacksfragen, aber auch mangelnde Muße und Zeit, lange nach der passenden Kleidung zu suchen. Zudem kennen sich viele im Wirrwarr der Trends und Labels einfach nicht aus und suchen nach Orientierung. Andere wiederum haben schlichtweg keine Lust, sich in Geschäfte zu begeben, um sich von anderen bei ihren Bemühungen zusehen zu lassen. Mancher der Betreffenden weiß nicht, wohin mit seinem Geld und seinen Allüren. Shopping wird oft zur Masche. Wie schön, wenn da jemand mitstrickt.
Bislang eher Mangelware. Bislang sind Einkaufsbegleiter bei uns eher Geheimtipp und Mangelware, obwohl man sie mittlerweile in verschiedenen Regionen Österreichs, der Schweiz und Deutschland buchen kann. Zumeist sind es Damen, die der überwiegend männlichen Klientel Nachhilfe in Sachen Mode geben. Weibliche Kunden erweitern ihre Ansprüche gern auch auf Tipps hinsichtlich Frisur und Make-up. Christian Hoffmann übt sein Geschäft überwiegend im Raum Hamburg, Bremen und Oldenburg aus. Die Anfragen kommen vor allem aus dem Business, Showbiz und der Politik. Diskretion ist Ehrensache.
Fachliche Kompetenz trifft individuelle Wünsche. Da dürfte es mit Empfehlungen von glücklichen Kunden nicht weit her sein. So wirbt Hoffmann im Internet und mit Prospekten für seine Dienste. "Wenn es um Mode geht, möchten Sie nicht suchen, sondern finden", heißt es da pointiert. Fachliche Kompetenz trifft auf individuelle Wünsche. Das Potenzial ist groß, und der Wunsch, sich richtig bedienen zu lassen, noch größer. Das Einkaufsbudget reicht von wenigen hundert Euro bis zu mehreren Tausend. In jedem Fall hat er es mit anspruchsvollen Kunden zu tun. Die gewünschte Kleidung bewegt sich in der Regel im oberen bis Luxusbereich.
Die Tagespauschale eines solchen Modesachen-Verständigen beträgt bis zu 500 Euro, der Stundenlohn liegt bei 60 bis 80 Euro. Dafür bietet er nicht nur bestes Wissen über internationale Mode-Trends und geeignete Einkaufsstätten, sondern auch eingehende Empfehlungen. Sogar ein Garderobencheck ist vorgesehen, bevor der Einkauf richtig losgeht. Outfits sollen ja den Charakter unterstreichen. So geht es beim Herausarbeiten des Stils um das gesamte Erscheinungsbild, nicht nur um Ergänzungen, nicht selten gar um ein völlig neues Image. Allerdings müssen die Kundenwünsche in Einklang mit dem Typ gebracht werden. Trendfotos können dabei behilflich sein. Manchmal kauft er für seinen Auftraggeber aber auch ganz alleine ein. Das spart zwar Zeit, ist aber totale Vertrauenssache!
Allererste Kommunikation mit der Umwelt. Die Wienerin Evelyn Seidl, ebenfalls eine Einkaufsbegleiterin, argumentiert ganz drastisch: "Nichts ist teurer als nie getragene Kleidung". Daher ist gezieltes Einkaufen nach gründlicher Stil-Fixierung die Hauptaufgabe bei solcherlei Tun. Sie hat jahrelang selbst im Management gearbeitet und weiß daher, was es bedeutet, stundenlang im Business-Outfit in Sitzungen zu verbringen und danach keine Zeit mehr zu haben, sich vor dem Geschäftsessen am Abend noch umzuziehen. "Der Anzug ist heiß, das Kostüm zwickt, die Krawatte wird zum Strang und die Bluse klebt am Körper. Es ist daher essenziell, die richtigen Kleidungsstücke zu besitzen, um den Wohlfühlfaktor zu nutzen". Worauf kommt es an? "Der richtige Schnitt, das richtige Material und die richtigen Farben bedeuten für jedes Individuum etwas anderes, sind aber für jeden zu finden! Das Outfit ist die allererste Kommunikation mit der Umwelt. Schon mit dem eigenen Erscheinen transportiert man Kompetenz, ohne irgendetwas gesagt zu haben".
Im Grunde genommen gehört der gewandte Shopping-Scout zu der Spezies von Stylisten, wie sie bei Fotoproduktionen von Hochglanzblättern üblich sind. Doch während dort schöne Bilder entstehen, die Interesse für neue Trends wecken sollen, erwachsen mithilfe eines Beraters selbstbewusste Modekonsumenten.