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"Nichts treibt uns in neuen Krieg"

Von Klaus Huhold

Politik

Sudan hofft auf bessere Beziehungen zum Westen. | "Es gibt nun große Chance auf Frieden in Darfur."


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"Wiener Zeitung": Nach der Abspaltung des Südsudan sind viele Fragen noch offen - etwa, wie zukünftig die Öleinnahmen aufgeteilt werden. Manche Kommentatoren fürchten einen neuen Krieg. Zu Recht?

Ali Ahmed Karti: Nein. Wenn man auf unsere Geschichte blickt, hatten wir viele Probleme - Krieg, Flüchtlinge, unsere Ressourcen konnten wir nicht nutzen. Doch wir haben die Probleme gelöst. Ich kann versichern, dass uns nichts in einen neuen Krieg treiben wird, auch nicht die Ölressourcen. Es gibt internationale Normen und Gesetze, und wir werden sicher eine Lösung finden. Wir haben lange gewartet, während die Südsudanesen ihre Unabhängigkeit nach dem 9. Juli gefeiert haben. Nun, denke ich, werden sie Zeit für weitere Gespräche haben. Wir sind bereit, über jeden Vorschlag zu verhandeln, den die Afrikanische Union in ihrer Vermittlerrolle vorschlägt.

Was geschieht mit den Südsudanesen, die im Sudan leben?

Sie werden ihr Leben weiterleben. Nun wurden ihnen neun Monate gegeben, um zu entscheiden, ob sie im Norden bleiben oder in den Süden gehen wollen. Aber auch wer dann in den Norden zurückkehren will, ist willkommen.

Aber es gab auch Berichte, dass Südsudanesen in Zukunft keine medizinische Behandlung bekommen sollen.

Auf keinen Fall. Einzig ihre politischen Rechte könnten sie verlieren, sonst nichts.

Wie wird zukünftig mit der Scharia im Sudan verfahren, nachdem sich der großteils christliche und animistische Süden abgespalten hat?

Lassen sie mich klarstellen, dass die Scharia-Gesetze seit 1983 in Kraft sind. Als Bashir (Präsident, Anm.) 1989 die Macht übernommen hat, hat er nur willkommen geheißen, was bereits beschlossen wurde. Aber niemand, der kein Moslem ist, wird der Scharia unterworfen.

In der Region Süd-Kordofan, die an den Süden grenzt, aber zu ihrem Staat gehört, kam es zu heftigen Kämpfen. Gegen Sudans Armee gibt es schwere Vorwürfe, die von der Tötung von Zivilisten bis zu Flächenbombardements reichen.

In Süd-Kordofan hat die SPLM (politische Partei, Anm.) zu kämpfen begonnen, nachdem sie die Wahlen verloren hat. Die Armee ist dort, um die Situation zu beruhigen. Diese Vorwürfe sind nicht wahr.


Aber selbst die UNO spricht von Flächenbombardements.

Sollen wir bewaffnete Einheiten wirklich Artillerie verwenden lassen, um Leute zu bombardieren, oder sollen wir sie stoppen? Kann man Kämpfe vom Zaun brechen, nur weil man Wahlen verloren hat? Warum sollte das im Sudan erlaubt sein? Wir kennen diese Vorwürfe und wir wissen auch, wer dahinter steckt. Ich versichere Ihnen, dass unsere Regierung ihr Bestes versucht, um die Situation zu stabilisieren. Wir werden bestimmt nicht eine Vereinbarung über die Unabhängigkeit des gesamten Südens schließen und eine kleine Region umkämpft lassen.


Aber wenn die Vorwürfe nicht stimmen, warum beklagt sich dann die UNO, dass viele Vorfälle nicht untersucht werden können, weil internationale Organisationen nicht in die Region gelassen werden?

Nichts wird blockiert. Leider kommen viele Organisationen in den Sudan, um Politik zu betreiben, und nicht, um den Leuten zu helfen.

Aber die UNO kann mit ihrem Personal nach Süd-Kordofan reisen?

Auf alle Fälle.

Ein weiterer Brennpunkt ist Darfur. Nun gibt es einen Friedensvertrag mit einer Rebellengruppe, der LJM. Aber sie wird als eher unbedeutend eingeschätzt.

Das ist falsch. Es ist eine große Gruppe. Vor allem, wenn man bedenkt, wie viel Einfluss sie auf verschiedene Leute in Darfur hat. Es gibt nun eine große Chance auf Frieden in Darfur. Wir hoffen, dass die Gruppen, die bisher den Friedensvertrag nicht unterschrieben haben, das bald tun werden.

Der Sudan ist im Westen isoliert, etwa wegen der Vorwürfe von Kriegsverbrechen in Darfur. Braucht man den Westen überhaupt, da man gute Verbindungen zu China hat?

Natürlich brauchen wir den Westen. In unseren Augen war es ungerecht, dass viele Nationen dem Druck von Organisationen und falschen Medienberichten nachgegeben und falsche Entscheidungen gegen den Sudan getroffen haben. Aber blicken Sie auf den Süden: Wir haben einen Friedensvertrag geschlossen, und wir haben uns daran gehalten. Wir haben dem Südsudan eine Tür geöffnet, um über seine Zukunft zu entscheiden. Wir hoffen, dass man nun auch im Westen sieht, dass wir eine verantwortungsvolle Regierung sind, dass der Sudan nicht derart isoliert werden sollte.

Aber China gibt Ihrem Land Ausweichmöglichkeiten?

Ja, China gibt uns mehr Möglichkeiten - in Betracht auf eine Kompensation dessen, was wir nun durch die Sezession des Südens verlieren. Es wird im Norden mehr Ölförderung geben, mehr Zusammenarbeit in der Landwirtschaft oder im Bergbau. Aber unsere Türen stehen allen offen.