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Alle Parteien haben ein Sargnagel-Thema. Ein Dilemma.
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Wien. Die Achillesferse der SPÖ ist derzeit in aller Munde: die Themenkombination Migration und Integration, wo doch die Partei eigentlich viel lieber über Sozialthemen reden möchte. Den Grünen geht es ganz ähnlich, nur dass ihre große Stärke eigentlich der Umweltschutz ist. Auch die ÖVP kennt Themen, wo für sie nichts zu holen ist, etwa der gesamte Arbeitnehmerbereich, und eigentlich sorgt der ÖAAB verlässlich dafür, dass sie sich trotzdem auf dieses Schlachtfeld begeben muss. Das wird sicher auch noch kommen. Allein die FPÖ hat es geschafft, mit nur einem einzigen Thema das Auslangen zu finden, und keiner beschwert sich.
Dass es mit einem Machtwort von oben nicht getan ist, ein ungeliebtes Thema an den Rand zu drängen, exerziert gerade die SPÖ vor. Hier denkt Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl nicht daran, sich an die von der Bundespartei ausgegebene Linie zu halten, Sicherheit und Migration im Wahlkampf tunlichst auszusparen. Beide seien "für die Menschen ein wichtiges Thema, und die SPÖ soll sich mit Themen beschäftigen, die für die Menschen wichtig sind. Denn nur dann wird man gewählt", deponierte der pannonische Landeshauptmann soeben erst im APA-Interview. Noch dazu, wo gerade das Burgenland mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil das sicherheitspolitische Aushängeschild der SPÖ vorweisen kann.
Niessl hat da sicherlich nicht nur den Nationalratswahlkampf im Auge, denn bereits am 1. Oktober sind im Burgenland Gemeinderatswahlen - und dort kann er mit Bundeskanzler Christian Kern, einem Wiener, kaum reüssieren. Mit Landsmann Doskozil aber sehr wohl.
Wolfgang Bachmayer, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts OGM, bestätigt, dass Flüchtlinge, Zuwanderung, Integration bei den Österreichern an erster Stelle stehen. 30 Jahre lang hat Arbeit die politische Hitparade dominiert. Keinen grundsätzlichen Widerspruch zwischen Kern und Niessl sieht der Politologe Peter Hajek, schließlich habe der Kanzler seinen Verteidigungsminister als sicherheitspolitisches Aushängeschild der SPÖ ausgewiesen und dieser ist auch Nummer eins auf der burgenländischen Landesliste.
Trotzdem könne die SPÖ das Thema nicht offensiv bringen, weil es für sie nichts zu holen gebe, sagt Hajek; ganz weglassen gehe aber ebenso nicht, da: zu wichtig für die Leute. Das sieht auch Politikberater Thomas Hofer so: "Die SPÖ muss diese Flanke abdichten, sie kann die Bedeutung des Themas für die Wähler nicht ignorieren." Bei einem Wettbewerb Kerns mit ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, wer die härtere Linie verfolge, drohe die SPÖ jedoch Wähler zu verprellen. Ein No-Go, wenn die SPÖ über die 30-Prozent-Marke springen wolle. Das gelinge nur mit anderen Themen, ist Hofer überzeugt.
Und genau dies versuche die Kanzlerpartei mit dem Slogan "Holen Sie sich, was Ihnen zusteht." Für Bachmayer ist das zwar eine unverhohlene Aufforderung zum Klassenkampf, aber damit treffe Kern das zweite wichtige Anliegen der Bevölkerung, nämlich Einkommen. Und das ist schließlich ein sozialdemokratisches Kernthema.
"Themen entscheiden immer die Wahl", analysiert Hajek. Das wisse man seit der Wahl Bill Clintons 1992. "There is no image without issue." Diese Themen müssten aber in der Bevölkerung einen emotionalen Anker haben und die Menschen müssten der Partei oder dem Politiker diese Themenkompetenz auch zutrauen. Man könne im Wahlkampf keine neuen Themen aus dem Hut zaubern und hoffen, dass diese funktionieren. Nur auf den Gebieten, die man schon davor bearbeitet habe, könne man reüssieren. "Wahlkampf ist die Zeit der Ernte", erklärt Hajek.