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Nichtwählen war diesmal politisch

Von Walter Hämmerle

Europaarchiv

EU-Skepsis und ein "Denkzettel für die Regierenden": Das waren europaweit die beiden wichtigsten Faktoren, die das Ergebnis der EU-Wahl vom vergangenen Wochenende bestimmten. Zu diesem Schluss kommen die beiden Politologen Peter Ulram und Fritz Plassser in ihrer Wahlanalyse. Die Liste von Hans-Peter Martin (HPM) wurde zum neuen Sammelbecken der EU-Skeptiker. Von unterschiedlicher Bedeutung für die Wahl einer Partei waren diesmal die Spitzenkandidaten.


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Angesichts der für Österreich einmalig niedrigen Wahlbeteiligung von knapp 41 Prozent sind natürlich die Motive derjenigen, die am Sonntag nicht wählen gegangen sind, von besonderem Interesse. Das Meinungsforschungsinstitut Fessel-GfK hat zu diesem Zweck in einer bundesweiten Telefonumfrage am Wahltag 700 Wähler und 350 Nichtwähler befragt.

Bei den Nichtwählern stand mit 22 Prozent die Ansicht, die EU-Wahl sei sinnlos, da sie ohnedies nichts bewege, als erstes Motiv für das Daheimbleiben. Mit 20 Prozent folgen allgemeines Desinteresse an der EU sowie Unzufriedenheit mit der Politik der Union mit 19 Prozent Alle diese Motive sind im Vergleich zu den EU-Wahlen 1999 erkennbar stärker ausgeprägt.

Dass diesmal die hohe Wahlenthaltung politisch motiviert war, zeigen auch die folgenden Daten: Während über zwei Drittel der Wähler (69 Prozent) den EU-Beitritt Österreichs als richtige Entscheidung beurteilen, tun dies nur 42 Prozent der Nichtwähler. Von diesen sieht eine Mehrheit von 54 Prozent den Beitritt als falsch an. Auch in der Zufriedenheit mit der Bundesregierung zeigt sich ein Unterschied: Die Wähler vom Sonntag waren weniger unzufrieden als die Nichtwähler.

Für den Ärger über die EU stehen bei Wählern (39 Prozent) und Nichtwählern (31 Prozent) der Unmut über die Privilegien der EP-Abgeordneten an erster Stelle. Die mangelnde Rücksichtnahme der EU rangiert bei beiden Gruppen an zweiter Stelle gefolgt von der Kritik an der übermäßigen EU-Bürokratie.

Gutes VP-Ergebnis dank treuen Stammwählern

Dass die ÖVP trotz des EU-weiten Denkzettelmotivs ein Plus von zwei Prozent erzielen konnte, verdankt sie der Treue ihrer Stammwähler: Die ÖVP wurde zu 59 Prozent von Stammwählern gewählt, 20 Prozent entschieden sich wegen Stenzel für die Kanzlerpartei. Im Unterschied dazu entschieden sich nur 53 Prozent für die SPÖ, weil sie Stammwähler sind. 19 Prozent wollten der Regierung einen "Denkzettel" verpassen und acht Prozent gaben Spitzenkandidat Hannes Swoboda als Entscheidungsgrund an.

Die Liste HPM wurde von 53 Prozent aus Protest gegen Privilegien gewählt, zu 21 Prozent wegen der Person Martins und zu 20 Prozent aus EU-Unzufriedenheit. Detail am Rande: 77 Prozent der Martin-Wähler sind regelmäßige "Kronen Zeitung"-Leser.

Für die Grünen entschieden sich 33 Prozent wegen der Themen Umweltschutz und Anti-Atompolitik, 30 Prozent, weil sie Stammwähler sind und 13 Prozent wegen Voggenhuber.

Für die Freiheitlichen stimmten 34 Prozent Stammwähler, 16 Prozent wegen deren EU-Kompetenz, weitere 16 Prozent wegen Mölzer.