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Nie mehr schuldenfrei!

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat auch österreichischen Politikern etwas zum Nachdenken verpasst. "Wann sind wir jemals ohne Schulden? Hoffentlich nie", sagte er. Es wäre schön, wenn ihn alle Politiker beherzigen. Landeshauptmann Wilfried Haslauer sagte jüngst im ORF, er wolle Salzburg 2025 einen schuldenfreien Haushalt ermöglichen. Das würde die Rückführung der bestehenden Schulden und das Ende jeder Investitionstätigkeit bedeuten. Damit würde er einen veritablen Wirtschaftscrash auslösen, gegen den der jetzige Finanzskandal ein Lercherl wäre.

In der Bevölkerung wird dadurch eine Erwartung geweckt, die nicht erfüllt werden kann und soll - frei nach Schäuble.

Dessen Satz ist nun kein Freibrief für Regierungen, hemmungslos Kredite aufzunehmen, viele werden die Schulden tatsächlich zurückfahren müssen. Aber das Beispiel, dass auch Häuslbauer irgendwann den Kredit abstottern müssen, das gilt für Staaten einfach nicht. Staaten hören ja nie auf zu investieren, während der so gern zitierte Häuslbauer wohl nicht bis zu seinem Lebensende ständig neue Häuser errichtet.

Auch Unternehmen sind in aller Regel nie schuldenfrei, in der Industrie sind 50 bis 70 Prozent "Fremdkapital", also Schulden, normal. Ähnlich formuliert es ja auch der Maastricht-Vertrag für Länder, der die Schuldengrenze bei 60 Prozent der Wirtschaftsleistung ansetzt. Wenn die Wirtschaft wächst, werden in absoluten Zahlen auch diese 60 Prozent immer mehr.

Diese Dynamik wird bei Diskussionen am Stammtisch gerne unter denselben fallen gelassen. Viele Politiker trauen sich nicht zu widersprechen oder können es nicht.

Eine erhebliche Frage ist natürlich, wofür die Schulden aufgenommen werden. Wenn dies notwendig ist, um etwa Beamte zu bezahlen, wäre das fatal. Denn die geben das Geld aus. Wenn damit aber Schulen oder Glasfaserkabel finanziert werden und die Infrastruktur generell modern gehalten wird - dann haben auch künftige Generationen etwas davon. Dabei liegt in den Budgets europäischer Länder einiges im Argen, doch deren Beseitigung hat mit Schuldenfreiheit nichts zu tun.

Schäuble hat mit seinem Satz das Wort Staatsschulden aus dem Schmuddeleck geholt. Jetzt liegt es an seinen Kollegen, die Debatte inhaltsreich fortzuführen.