Heute tritt das neue Kartellrechtsgesetz in Kraft. Seine Bewährungsprobe muss das geänderte Gesetz freilich erst bestehen, schließlich wurde das österreichische Kartellrecht in der Vergangenheit nicht erst einmal umgebaut. Trotz mehrerer Novellen hagelte es in der Vergangenheit Kritik: Ineffizient sei das Gesetz, seine abschreckende Wirkung gering. Dem Kartellrechtsgesetz haftete der Nimbus an, "totes Recht" zu sein.
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Ein möglicher Grund, wieso heimische Banken nichts dabei gefunden hatten, sich im sogenannten "Lombard-Klub" über gemeinsame Bankgebühren zu verständigen. Übersehen wurde dabei freilich - wie nunmehr schmerzlich zur Kenntnis genommen werden muss - dass derartige Vereinbarungen auch dem deutlich effizienteren europäischen Kartellrecht unterliegen können. Vor allem durch die umstrittene "Formil"-Entscheidung (Format, Profil) des Kartellgerichtes im Jänner 2001 erreichte die Kritik am - erst 1999 novellierten - Kartellrecht einen neuen Höhepunkt. Insbesondere die dominante Rolle der Sozialpartner geriet damals unter Beschuss.
Die zunächst angekündigte rasche Reform des Kartellrechts ließ jedoch nicht zuletzt aufgrund von Uneinigkeiten hinsichtlich der Kompetenzaufteilung zwischen Justiz- und Wirtschaftsministerium auf sich warten. Erst im heurigen Frühjahr wurde die Reform beschlossen. Zugleich mit der Novellierung des Kartellgesetzes (KartG) tritt mit heutigem Datum ein neues Wettbewerbsgesetz in Kraft.
Mit der Reform soll vor allem der übermächtige Einfluss der Sozialpartner zurückgedrängt werden. Diese waren bislang durch ihre Stellung als Amtspartei sowohl an der Verfahrenseinleitung, an der anschließenden Begutachtung und zuletzt auch über die von ihnen entsandten Laienrichter bei den Kartellgerichten in allen Verfahrensstufen maßgeblich eingebunden. Entgegen ursprünglicher Absichten ist es im Zuge der Kartellrechtsreform 2002 jedoch nicht zu einer gänzlichen Entmachtung der Sozialpartner gekommen, was aufgrund des dort vorhandenen Know-hows auch nicht wünschenswert gewesen wäre.
Mehrheitlich Berufsrichter
Ein Kernstück der Reform ist die Änderung der Zusammensetzung der Senate bei den Kartellgerichten erster und zweiter Instanz: Bislang war es möglich gewesen, dass die von den Sozialpartnern entsandten (fachkundigen) Laienrichtern die Berufsrichter überstimmten (was dem Vernehmen nach in der "Formil"-Entscheidung auch geschehen ist). Während nunmehr am Kartellgericht (KG) zwei Berufsrichter den zwei fachkundigen Laienrichtern gegenüberstehen und dem vorsitzenden Berufsrichter bei Stimmengleichheit ein Dirimierungsrecht zukommt, besteht am Kartellobergericht (KOG) der Senat sogar mehrheitlich aus Berufsrichtern.
Die Sozialpartner wirken jedoch an der Zusammensetzung der Wettbewerbskommission mit, behalten ihr Recht, Stellungnahmen abzugeben und erhalten eine Reihe von Antragsrechten. Sie können jedoch keinen Antrag mehr auf Überprüfung eines Zusammenschlusses stellen. Abgeschafft wurde der "Paritätische Ausschuss", dessen Mitglieder auf Vorschlag der Sozialpartner ernannt wurden, und der u. a. als Amtssachverständiger in Kartellangelegenheiten tätig wurde. An seine Stelle tritt zum Teil die neue Wettbewerbskommission. Bislang hatten der Bund (vertreten durch die Finanzprokuratur), die Wirtschaftskammer, die Arbeiterkammer und die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs als Amtsparteien auch dann Parteistellung, wenn sie nicht Antragsteller waren. Auch durch diese Stellung als "Amtspartei" ergab sich ein erheblicher - wenngleich vielfach (mit Ausnahme der AK) kaum ausgeübter - Einfluss der Sozialpartner auf das Kartellverfahren. Die Bedeutung der Sozialpartner wurde dabei vor allem im Zusammenschlussverfahren deutlich. Stellte keine der Amtsparteien einen Antrag auf Prüfung eines Zusammenschlusses (und wurde auch das Kartellgericht nicht amtswegig tätig, was es seit der KartG-Novelle 1999 tun konnte), so unterlag ein Zusammenschluss eben keiner Kontrolle.
Dieser Umstand galt als einer der Gründe für die mangelnde Effizienz des österreichischen Kartellrechts. Die Amtsparteistellung der Sozialpartner wurde nunmehr beseitigt. Künftig kommt nur noch der Bundeswettbewerbsbehörde (neu) und dem Bundeskartellanwalt (neu) Amtsparteistellung zu.
Neue Behörden
Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) wird beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten als - weisungsfreie und unabhängige - Behörde eingerichtet. Ihr steht ein Generaldirektor für Wettbewerb vor. (Die Funktion wird Univ.-Prof. Dr. Walter Barfuß ausüben.) Der BWB kommen umfangreiche Ermittlungsbefugnisse (bis hin zur Vornahme von Hausdurchsuchungen) zu. Ihr obliegt auch die Durchführung der europäischen Wettbewerbsregeln in Österreich.
Wettbewerbskommission
Bei der BWB wird weiters eine Wettbewerbskommission (WK) eingerichtet. Ihre acht Mitglieder (plus acht Ersatzmitgliedern) werden vom Wirtschaftsminister ernannt. Da die Wirtschafts-, die Arbeiterkammer, der ÖGB und die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern je ein Mitglied vorschlagen können, bleibt ein gewisser Einfluss der Sozialpartner gewahrt. Als beratendes Organ hat die WK Gutachten im Auftrag der BWB oder des Wirtschaftsministers über allgemeine wettbewerbspolitische Fragestellungen zu erstellen. Sie kann auch (unverbindliche) Empfehlungen zu angemeldeten Zusammenschlüssen abgeben.
Während die BWB dem Wirtschaftsministerium zugeordnet ist, untersteht der Bundeskartellanwalt (BKartA) - weisungsabhängig - dem Justizminister. Dies soll gewährleisten, dass sich die Politik nicht durch den Hinweis auf die weisungsfreie BWB aus ihrer Verantwortung stehlen kann. Der BKartA, (bestellt wurde Dr. Alfred Mair) hat als Amtspartei die öffentlichen Interessen in Wettbewerbsangelegenheiten beim Oberlandesgericht Wien wahrzunehmen.
Im Gegenzug wird die - erst mit der KartG-Novelle 1999 eingeführte - Möglichkeit der amtswegigen Verfahrenseinleitung durch das Kartellgericht wieder aufgehoben. Dies ist zu begrüßen, da die - aus dem Inquisitionsprozess bekannte - Doppelrolle des Kartellgerichts als "Ankläger und Richter" rechtsstaatlich bedenklich war.
Missbrauch
Bislang war der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch das KartG erst dann verboten, wenn die Abstellung des Missbrauchs durch das Kartellgericht aufgetragen wurde. Ab sofort ist der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ex lege unzulässig. Bei einem Verstoß gegen das Verbot kann jetzt sofort eine Geldbuße verhängt werden. Hierdurch wurde ein Gleichklang mit dem EU-Wettbewerbsrecht erreicht.
Weiters wurde klargestellt, dass unter der vom Kartellrecht geschützten Medienvielfalt nicht bloß eine Vielfalt an Medientiteln, sondern eine Vielfalt von selbständigen Medienunternehmen zu verstehen ist.
Da vor allem die "Formil"-Entscheidung Anlass zur Kartellreform gegeben hat, wurde die Missbrauchsaufsicht insbesondere für den Medienbereich verschärft. Das Kartellgericht kann Maßnahmen wie die Entflechtung von Medienkonzernen auftragen, wenn ein Missbrauch erfolgt ist, der geeignet ist, die Medienvielfalt zu beeinträchtigen. Darüber hinaus gilt als Voraussetzung, dass es ohne solche Maßnahmen zu weiteren Missbräuchen kommen würde. Neu ist, dass eine derartige Entflechtungsmaßnahme, die bislang einen wiederholten Marktmachtmissbrauch voraussetzte, nunmehr schon nach einem einmaligen Missbrauch aufgetragen werden kann. Auch wenn die Vielzahl von Voraussetzungen für eine Entflechtungsentscheidung befürchten lässt, dass eine solche in der Praxis nie getroffen werden wird, ist zu erwarten, dass Medienunternehmen angesichts der neuen Ausgangslage zumindest künftig in der Ausnützung ihrer Marktstellung etwas vorsichtiger sein werden.
Entkriminalisierung
Das KartG sah bislang eine Reihe von Straftatbeständen vor (§§ 129-141 KartG). Diese werden nunmehr aufgehoben. Umgekehrt wird in Reaktion auf den sogenannten "Bauskandal" ein neuer Straftatbestand, der Absprachen bei Vergabeverfahren unter gerichtliche Strafe stellt, in das Strafgesetzbuch eingefügt (§ 168b StGB). Bislang wurden Bieterabsprachen ("Submissionskartelle") von der Rechtsprechung grundsätzlich als Betrug angesehen. Dies setzte jedoch den Nachweis eines eingetretenen Vermögensschadens voraus.
Da ein derartiger Nachweis in der Praxis nur schwer zu erbringen war, wurden Submissionsabsprachen regelmäßig lediglich gemäß § 129 KartG (Kartellmissbrauch) bestraft. In Anlehnung an das deutsche Recht wurde nun ein eigener Straftatbestand geschaffen, der die in der Vergangenheit aufgetretenen Schwierigkeiten vermeiden soll.
Geldbußen
Im Gegenzug für die Entkriminalisierung kommt es - nach Vorbild des Sanktionsmechanismus des EU-Wettbewerbsrechts - zu einer Neufassung der Geldbußenbestimmungen (Verwaltungsstrafen). Auf Antrag einer Amtspartei kann das Kartellgericht je nach Delikt Geldbußen in Höhe von bis zu 1,000.000 Euro oder bis zu 10 Prozent des vorjährigen Gesamtjahresumsatzes des jeweiligen gegen das KartG verstoßenden Unternehmens verhängen. Während bislang etwa Vorstandsdirektoren und Geschäftsführer persönlich durch gerichtliche Strafen bedroht waren, wird nunmehr das Unternehmen selbst durch - empfindlich hohe - Geldbußen in die Pflicht genommen.
Ein funktionierender Wettbewerb bedarf klarer Spielregeln. Wettbewerbswidriges Verhalten und die Konzentration der Marktmacht auf einzelne Unternehmen gereicht nicht nur Konkurrenten und Verbrauchern zum Nachteil, sondern schadet der gesamten Volkswirtschaft.
Von der Kartellrechtsreform 2002 - vor allem von den neu geschaffenen Behörden - ist zu erwarten, die Voraussetzungen für einen fairen und uneingeschränkten Wettbewerb zu schaffen und Wettbewerbsverstöße konsequenter als bisher zu ahnden. Es bleibt zu hoffen, dass das totgeglaubte Kartellrecht künftig wieder kräftige Lebenszeichen von sich gibt.
DDr. Jörg Zehetner ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei CMS Strommer Reich-Rohrwig Karasek Hainz. Zehetner, vormals Assistent am Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht der Uni Wien, ist Autor des Buches Reich-Rohrwig/Zehetner, Kartellrecht I, erschienen im Linde Verlag.