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"Nie wieder" ist zu wenig...

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Es genügt nicht, dass Teheran den Holocaust nicht mehr leugnet - dem Iran muss die Möglichkeit genommen werden, den nächsten Holocaust zu verüben.


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Die Meldung machte binnen weniger Stunden Schlagzeilen rund um die Welt: In einem TV-Interview im Berliner Hotel "Adlon", nur einen Steinwurf vom Holocaust-Mahnmal entfernt, verurteilte Irans Außenminister Mohammed Jawad Zarif voriges Wochenende scharf die industriell organisierte Ermordung der Juden durch das NS-Regime:
"Es war eine grausame Tragödie des Umbringens, das darf nie wieder vorkommen."

Dass eine dermaßen floskelhafte "No-na"-Feststellung des für jeden halbwegs vernünftigen Menschen historisch Evidenten weltweit für gehörige mediale Aufmerksamkeit sorgte, sagt deutlich mehr über deren Absender aus als über ihren Inhalt. Denn: Den Holocaust als das zu benennen, was er ist, war im Milieu der islamofaschistischen Teheraner Führung bisher ja nicht so wirklich üblich. Vor allem der bis 2013 amtierende Staatspräsident Mahmoud Ahmadinejad war (und ist) bekanntlich noch ein strammer Holocaust-Leugner.

Dass der Iran neuerdings immer öfter versucht, nicht mehr als Refugium irrer Holocaust-Leugner zu erscheinen, die lieber heute als morgen in Israel eine Nuklear-Shoah veranstalten wollen, kommt im Westen naturgemäß hervorragend an. Denn so wünscht man sich den Iran, überzeugt, dann ein Problem weniger auf der Agenda zu haben (und endlich wieder Geschäfte machen zu können).

Die entscheidende Frage ist allerdings, ob der Iran tatsächlich seine Haltungen, Absichten und Überzeugungen geändert hat - oder ob die Führung bloß draufgekommen ist, dass sie den Westen, vor allem in den Verhandlungen über potenzielle iranische Atombomben, besser über den Tisch ziehen kann, wenn sie nicht jeden Tag davon schwadroniert, Tel Aviv in einen glühenden Krater zu verwandeln.

Auch wenn diese Frage in Wahrheit derzeit niemand wirklich abschließend beantworten kann, deuten nicht allzu viele Fakten darauf hin, dass der Iran wirklich so ehrlich allen Nuklearwaffen-Ambitionen abzuschwören gedenkt wie etwa Südafrika der Apartheid nach deren Abschaffung. So klagte etwa der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), Yukiya Amano, erst unlängst, dass seine Behörde zu nicht vom Iran deklarierten Nuklearinstallationen keinen Zutritt bekomme und dass die Perser Fragen der IAEO nach ihrem militärischen Atomprogramm nicht einmal ignorieren würden.

Fast könnte man meinen, der Westen sei im Augenblick drauf und dran, sich den Iran schönzureden - und der Iran, um dieses Bedürfnis wissend, ist dabei gerne hilfreich. Vor allem, wenn es, wie Herrn Zarifs jüngstes Anerkenntnis der historischen Fakten, nichts kostet.

So sehr natürlich wünschenswert wäre, dass der Iran am Verhandlungswege dazu bewegt werden könnte, auf Atomwaffen zu verzichten, so gefährlich wäre eine vom westlichen Wunschdenken getriebene Appeasement-Politik, an deren Ende die iranische Atombombe stünde. Es geht nicht darum, dass die Iraner den vergangenen Holocaust nicht mehr leugnen - es geht darum, dass sie keinen nächsten Holocaust veranstalten können.

ortner@wienerzeitung.at