Reform der Agrar- Förderungen. | Beobachtung der Einzelhandelspreise. | Brüssel. Die EU will den Rekordpreisen für Lebensmittel entgegentreten: Die Preise werden zwar wieder sinken, aber nie mehr auf das angenehme Niveau von 2006, schließt die EU-Kommission in einem am Dienstag vorgestellten Strategiepapier. Umfangreiche Gesetzesvorschläge sollen die Landwirtschaftsförderpolitik den neuen Marktverhältnissen anpassen, wie die "Wiener Zeitung" bereits ausführlich berichtete. Direktzahlungen werden mit wenigen Ausnahmen (Mutterkühe, Schafe, Ziegen) völlig von der Produktion entkoppelt und verstärkt in die Ländliche Entwicklung umgeschichtet.
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Großempfänger sollen gestaffelt mehr abgeben, das Geld bleibt aber in den Mitgliedsstaaten für Umwelt-, Weiterbildungs- und Unterstützungsprojekte der Bewohner des ländlichen Raums. Produktionsbeschränkungen wie Flächenstilllegungspflichten sollen fallen, die Milchquoten bis zum Auslaufen 2015 graduell angehoben werden.
Die Kehrseite: Österreichs Landwirte fürchten, durch sinkende Milchpreise unter Druck zu geraten. Gerhard Wlodkowski, Präsident der Landwirtschaftskammer: "Es muss künftig eine Unterstützung für benachteiligte Gebiete, etwa Bergregionen, geben." Von der Umschichtung zur Ländlichen Entwicklung profitiere Österreich äußerst wenig - hier sei bereits viel investiert worden.
Neue Länder betroffen
Brüssel plant weiters eine verstärkte Marktbeobachtung der Einzelhandelspreise von Lebensmitteln. Die Datensammlung soll es einfacher machen, illegale Preisabsprachen oder -diktate von Handelsketten zu identifizieren und EU-Strafverfahren gegen Preistreiber zu ermöglichen.
Zur Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung der Ärmsten in Europa gibt die EU bereits seit 1987 im Schnitt 300 Mio. Euro pro Jahr für Hilfslieferungen aus. 13 Mio. Empfänger in 19 Mitgliedsstaaten profitierten bisher; jetzt will Brüssel das System effektiver machen und ausweiten.
Biokraftstoffe seien zwar wegen ihres geringen Anteils an Ackerland keine Bedrohung für die Versorgungssicherheit, bekräftigt die Kommission. Dennoch soll ein schneller Übergang zu den effizienteren Biokraftstoffen der zweiten und dritten Generation durch mehr Forschung vorangetrieben werden.
Für die Erforschung von Möglichkeiten für mehr und gleichmäßigeren Ertrag sowie effizienteren Umgang mit Ressourcen wie Wasser soll das jährliche Forschungsbudget auf 63 Mio. Euro verdoppelt werden.
Die EU-Kommission untermauert die Notwendigkeit zum Handeln mit einer ausführlichen Studie zur Entwicklung der Lebensmittelpreise: So stieg der Preis für US-Weizen im Jahresabstand bis Februar 2008 um 113 Prozent, EU-Weizen um 93 Prozent und thailändischen Reis um 52 Prozent. US-Sojabohnen, eine weit verbreitete Basis für Nutztierfutter, legten um 83 Prozent zu. Die Preise für Milchprodukte stiegen in der EU um 30 Prozent. Unschön an der Entwicklung ist die drastische Betroffenheit der ärmeren Bevölkerung und der ab 2004 beigetretenen Mitgliedsstaaten. Während die "alten" EU-Länder Nahrungsmittelpreissteigerungen von fünf bis sieben Prozent verzeichneten, mussten etwa die Bulgaren ein Plus von 22 Prozent und die Esten eines von 17 Prozent hinnehmen. Überdies sind die Ausgabenanteile der Haushaltseinkommen für Lebensmittel dort viel höher: Während die Briten rund neun Prozent in die Nahrung stecken, sind es in Rumänien mehr als 40 Prozent.